Sharapova welches Medikament

Konstante Fettverbrennung: Brauchen wir das?

Manche nennen es Spielereien, für mich ist es reinste Bewunderung: Die Modulation biochemischer/molekularbiologischer Signalwege.

Für mich jedes Mal aufs Neue so beeindruckend, dass man Abläufe, von denen man jahrelang dachte, sie seien in irgendeiner Weise determiniert, studieren und verändern kann – zu unserem Vorteil.

Das mündet dann u. a. in ein Fachgebiet, das man molekulare Ernährungswissenschaften nennt.

Konstante Fettverbrennung, um konstant schlank zu sein

Eine ganze große Frage beschäftigt mich wirklich schon, ja, seit Jahren – mehr oder weniger. Nämlich:

Wieso glauben wir, es sei extrem wichtig, „konstant Fett zu verbrennen“?

Das bedeutet, dass wir einen Stoffwechsel haben wollen, der möglichst viele Fettsäuren oxidiert.

Diese „Idee“ hat sich in vielen, wenn nicht sehr vielen Köpfen festgesetzt. Jahrelang auch in meinem.

Je mehr ich allerdings über den Energiestoffwechsel und die Mitochondrien-Funktion weiß, umso deutlicher komme ich zum Schluss, dass dies gar nicht wünschenswert oder irgendeiner besonderen Art und Weise förderlich ist.

Freilich ignorieren wir häufig die Perspektive. Wenn wir Fettleibige nehmen, die – relativ betrachtet – einen schlechten Fettstoffwechsel gezüchtet haben (by the way: Auch einen schlechten Glukose-Stoffwechsel), dann kann ein Ausbau durchaus nützlich sein. Wieso aber glauben wir, wir müssten den Stoffwechsel so ausbauen, dass er quasi nur noch und konstant Fettsäuren als Substrat präferiert?

Was passiert, wenn wir den Fettstoffwechsel unterdrücken?

Dass wir uns richtig verstehen: Das ist machbar! Man kann – dank vieler Experimente – genau gucken, was mit den Zellen passiert, die man so und so behandelt.

Man kann den zellulären Stoffwechsel, insbesondere der Muskelzellen, derart manipulieren, dass dieser viel stärker Glukose präferiert … oder umgekehrt, viel eher Fettsäuren präferiert.

Ein reales Problem ist das am Herzmuskel. „Problem“, weil viele von uns am Herzinfarkt sterben. Herzzellen präferieren normalerweise Fettsäuren über Glukose, allerdings ist das ein großer Nachteil während eines Herzinfarkts, weil einfach nicht genug Sauerstoff da ist, um mit Fettsäuren ausreichend ATP zu bauen. Einige Medikamente oder Substanzen nutzen hier eine kleine Besonderheit: Das Herz kann auch gänzlich ohne Fettsäuren auskommen. Die genannten Stoffe soll die Fettsäure-Oxidation unterdrücken, so, dass die Glukose-Oxidation gesteigert wird. Dies hilft nicht nur den Herzen während des Infarktes, sondern auch während der Reperfusion. Denn: Der gesteigerte Glukose-Flux hilft den Zellen, „pro survival genes“ anzuschalten, die der Herzzelle helfen zu überleben. Wie das dann in Realität aussieht, zeig ich gleich.

Den Fettstoffwechsel zu unterdrücken … klingt – zumindest für eingangs erwähnte Menschen – nach einer dummen Idee, speziell für Sportler. Bis wir gelernt haben, dass Substanzen, die den zellulären Fettstoffwechsel runterfahren, als Doping-Mittel eingesetzt werden. Damals erklärte ich, warum das so positiv ist. Unter anderem:

  • bessere Regeneration
  • bessere Glukose-Toleranz
  • gesteigerter Anabolismus (=> Muskelwachstum, -erhalt und -regeneration)

Und, wer einmal kurz weiter denkt: Bessere Körperkomposition, weil der höhere Glukose-Verbrauch einen niedrigeren Insulin-Spiegel nach sich zieht, wie wir das z. B. sehr gut an Myostatin- oder Akt-transgenen Mäusen studieren können. Jedenfalls sah Frau Scharapowa nicht aus, als sei sie plötzlich die wandelnde, prall gefüllte Fettzelle. Heißt also, dass die Logik … „Ich muss konstant Fettsäuren verbrennen, um schlank zu sein und zu bleiben“ … nicht gerade vor Genialität strotzt.

Das Mittel der Wahl kann z. B. Meldonium sein. Das nämlich unterdrückt die L-Carnitin-Synthese. Die Zelle verarmt an L-Carnitin, sie kann weniger Fettsäuren über die mitochondriale Membran transportieren, was als Folge die Fettsäure-Oxidation reduziert.

Speziell für Meldonium konnte gezeigt werden:

  • In Diabetes-Ratten reduziert es den Nüchternblutzucker-Spiegel deutlich
  • Es verkleinert die Infarkt-Fläche bei Herzinfarkten um 30 %
  • Es reduziert die Ketonkörper-Produktion*

* Eine niedrigere Ketonkörper-Produktion zeigt, dass weniger Fettsäuren in der Leber oxidiert werden, was aber im Umkehrschluss deutlich aufzeigt, dass es nicht zwingend eine erhöhte Fettsäure-Oxidation oder gar Ketolyse braucht, um das Gewicht (das sich hier nicht von Kontrolltieren unterscheidet) zu halten.

In einer anderen Arbeit mit einem ähnlichen Mittelchen wurde die Infarkt-Fläche sogar halbiert. Weitere Studien zeigten beispielsweise auch eine deutliche Wirkung gegen Arteriosklerose. Insgesamt schadet selbst eine Langzeitbehandlung nicht, anscheinend: im Gegenteil.

Für uns wichtig: Die Richtung

Natürlich geht es für uns selten darum, Medikamenten-ähnliche Wirkungen hervorzurufen. Wir wollen uns nur angucken, was passiert, wenn ich den zellulären Energiestoffwechsel in diese oder jene Richtung „drücke“, wenigstens ein bisschen. Welche systemischen (nicht nur lokalen) Folgen ergeben sich daraus?

Veganer sorgen sich, unbewusst, ganz stark um ihren Glukose-Stoffwechsel: Sie essen kein oder kaum L-Carnitin (haben folglich viel niedrigere Carnitin-Werte) und haben sehr viel niedrigere Ferritin-, also Eisen-Werte. Vom Eisen haben wir gelernt: Je niedriger (ohne Mangel!), umso insulinsensitiver sind wir. Eine Sache, die wir gerade auch vom Unterdrücken des Fettstoffwechsels lernen. Anzumerken und wichtig: Das funktioniert natürlich nur bei passender Ernährung. Wer viel Glukose oxidiert und weniger Fettsäuren, der sollte sich nicht mit Fettsäuren mästen.

Schlusswort und Ausblick

Ich befasse mich jetzt seit über 7 Jahren mit dem Thema. Es wird immer spannender und aufschlussreicher für mich, wobei ich eine Sache immer mehr lerne: Den zellulären Fettstoffwechsel zu trainieren ist das eine. Wieso trainieren wir aber nie den Glukose-Stoffwechsel? Wieso glauben wir, nur der Fettstoffwechsel sei in irgendeiner Weise förderlich?

Einen kleinen Ausblick diesbezüglich möchte ich noch geben: Es gibt nicht „den“ Diabetiker. Es gibt nicht nur Diabetiker, die „keinen Fettstoffwechsel“ haben und entsprechend eine Muskelverfettung erleben, sondern auch das andere Extrem, wo das Mitochondrium nur noch Fettsäuren präferiert, was freilich ein krankhafter Zustand ist. Beides nennt sich metabolische Inflexibilität. Ein Konzept, von dem wir in den nächsten Jahren noch viel lesen werden.

Literatur

Liepinsh, E; Makrecka-Kuka, M; Kuka, J u. a. (2015): „Inhibition of L-carnitine biosynthesis and transport by methyl-γ-butyrobetaine decreases fatty acid oxidation and protects against myocardial infarction“. In: British Journal of Pharmacology. 172 (5), S. 1319-1332, DOI: 10.1111/bph.13004.

Liepinsh, Edgars; Vilskersts, Reinis; Zvejniece, Liga u. a. (2009): „Protective effects of mildronate in an experimental model of type 2 diabetes in Goto-Kakizaki rats“. In: British Journal of Pharmacology. 157 (8), S. 1549-1556, DOI: 10.1111/j.1476-5381.2009.00319.x.

Sokolovska, Jelizaveta; Isajevs, Sergejs; Sugoka, Olga u. a. (2011): „Correction of glycaemia and GLUT1 level by mildronate in rat streptozotocin diabetes mellitus model“. In: Cell Biochemistry and Function. 29 (1), S. 55-63, DOI: 10.1002/cbf.1719.

Sokolovska, J.; Rumaks, J.; Karajeva, N. u. a. (2012): „The influence of mildronate on peripheral neuropathy and some characteristics of glucose and lipid metabolism in rats with the streptozotocin model of diabetes mellitus“. In: Biochemistry (Moscow) Supplement Series B: Biomedical Chemistry. 6 (2), S. 177-184, DOI: 10.1134/s1990750812020114.

 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

7 comments On Konstante Fettverbrennung: Brauchen wir das?

  • Hallo Chris,
    erst mal vielen Dank für deinen Blog und deine Beiträge. Ich bin erstaunlicherweise und leider! erst vor Kurzem darauf gestoßen und noch dabei mich durch alle Artikel zu arbeiten. Ähnlicher Werdegang, Sportwissenschaften hinter mir, jahrelang Leistungssport und ein Interesse an Ernährung. Ebenfalls bin ich zu dem Schluss gekommen: ohne Grundwissen kein Fachwissen, deshalb Biochemie Studium. Hier stehe ich allerdings erst am Anfang und habe dementsprechend -noch- wenig Ahnung. Deine Artikel, Beiträge und Erklärungen helfen mir hierbei ungemein. Also noch einmal vielen, vielen Dank.

    Folgendes beschäftigt mich seit längerem: mein kleiner Bruder (8 J. alt) hat Diabetes Typ-1. Betreibt Sport (Leistungsniveau), isst relativ gesund (was meine Eltern eben als gesund erachten, sind leider eher beratungsresistent) aber ist natürlich auf sein tägliches Insulin angewiesen. Ist auch mittlerweile überhaupt kein Problem für ihn, er kennt es immerhin nicht anders. Bei Typ 2 weiß ich: mit der passenden Ernährung kann man nicht nur gegenwirken, sondern ohne Insulin auskommen. Wie ist das bei Typ1? Hier handelt es sich ja um eine Krankheit, der Körper konnte ja noch nie Insulin produzieren… Könnte man hier mit einer passenden Ernährung ebenfalls ohne Insulin auskommen, oder ist das komplett unrealistisch?

    Vielen Dank schonmal,
    LG Anna

    • Hi Anna,
      danke für deinen Kommentar :-) Auch eine spannende Vita, willkommen im Club!
      Du kannst den Insulinbedarf minimieren, ja. Hierfür würde ich mal Literatur von Art de Vany lesen. Sein Sohn hatte auch Typ-1-Diabetes, der leider tötlich endete, glaube ich. In jedem Fall hatte er damals eine Ernährungsform für seinen Sohn entwickelt, die Blutzuckerspitzen und somit auch den Insulinbedarf senken sollte. Am Ende des Tages war es eine Art „Paleo Diet“, also eine etwas kohlenhydratreduziertere, proteinreiche Ernährung. Blutzucker-/Insulinspitzen lassen sich dann auch vermeiden, indem man Kohlenhydrate im Kontext von Bewegung/Sport isst. Denn dann nimmt der Körper die Glukose insulinunabhängig auf.
      Das wäre wohl der beste Ansatz in dem Kontext.
      Beste Grüße

  • Wäre da immer noch die empfehlung low carb für die übergewichtigen und high carb für die schlanken?

  • Es ist immer wieder schön, von dir auf übersehene oder neue Aspekte hingewiesen zu werden.
    In wie weit das alles zum eigenen, persönlichen Lebenskonzept /-ziel passt kann sich dann jeder selber überlegen und bedarfsweise für sich in seinen Lebensplan einbauen.

    Möglichkeiten, keine Lösungen. Gefällt mir.

    • Hi Thorsten,

      vielen Dank für dein tolles Feedback.

      Schön, wenn das so verstanden und nicht als zusätzliche Belastung angesehen wird. Denn unser Vorgehen erfordert auch vom Leser die Bereitschaft, Tipps und Erklärungen eigenständig in den eigenen Lebensplan zu implementieren.

      Beste Grüße!

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