Phytat Zink und Mikronährstoffe

Phytinsäure: Neues zur Zink-Aufnahme

Viele Menschen wundern sich, wie die Mikronährstoff-Empfehlungen zustande kommen. Also in etwa: Wie viel Zink soll ich täglich zu mir nehmen?

Nun, häufig sitzen da nicht irgendwelche Wissenschaftler beisammen und würfeln die Zahlen. Meistens ( :-) ) denken die sich dabei sogar was. Nutzen ein paar mathematische Gleichungen, die auf verschiedenen Variablen basieren, z. B. auf der Zusammensetzung der Nahrung. Eine positive Auswirkung auf die Aufnahme hat bei Zink beispielsweise Protein bzw. Aminosäuren. Das hatten wir im Handbuch schon besprochen.

Auch besprochen hatten wir: Wer seinen Mikronährstoffhaushalt schnell aufbessern will, der sollte eine Zeit lang möglichst Phytinsäure-arm leben. Phytinsäure ist ein Inositol-Abkömmling mit sechs Phosphat-Gruppen. Diese Phosphat-Gruppen binden z. B. Magnesium, Calcium, Eisen oder Zink. Im Darm verhindert das die Aufnahme.

phytinsäure

Phytinsäure ist nicht per se schlecht. Phytinsäure fischt überschüssiges Calcium aus den Geweben (z. B. den Arterien), schützt vor toxischer Eisen-Überladung, verbessert den Insulin-Haushalt und schützt massiv vor Krebs.

Im Jahr 2008 erschien eine spannende Arbeit, die wieder einmal der Frage nachging, wie Phytinsäure die Zink-Aufnahme beeinflusst. Dazu wurde ein mathematisches Modell herangezogen und viele verschiedene Daten ausgewertet.

Schauen wir uns doch kurz folgende Abbildung an:

Phytat Aufnahme in der Nahrung

In der Mitte sehen wir zwei „Linien“ — darunter steht einmal „Absorbed Zn = 3.8 mg (male)“ und einmal „… = 3,2 mg (female)“. Das sind die Mengen, die wir täglich über unsere Darmschleimhaut katapultieren müssen, damit wir eine positive oder zumindest keine negative Zink-Bilanz aufweisen.

Y-Achse steht für die Zink-Zufuhr via Nahrung und X-Achse der Nahrungsgehalt an Phytinsäure.

Spannend jetzt: Bei 1000 mg Phytinsäure in der Ernährung, brauchen Männer schon etwa 18 mg Zink aus der Nahrung, damit sie es überhaupt auf 3,8 mg Zink schaffen, also eine positive Zink-Bilanz aufweisen. Bei 2000 mg sind wir schon bei über 25 mg. Bei 3000 mg Phytinsäure brauchen Männer über 35 mg.

Das ist ziemlich beeindruckend, vor allem, wenn man sich mal anschaut, wie viel Zn wir zu uns nehmen müssten bei einer Phytinsäure-freien Ernährung: Etwa 9 mg bei Männern. Das ist nichts im Vergleich.

Absorbiertes Zink und Phytinsäure Verhältnis

Hier wird eben mal ein weit verbreiteter Irrglaube zerpflückt. Denn die Zink-Aufnahme ist kein linearer Prozess (so, wie wir uns immer alles vorstellen in unserem Maschinen-Denken), sondern ein Prozess, der sich sättigen lässt. Selbst bei 100 mg Zink-Zufuhr wird im besten Falle (also bei einer Low-Phytate-Ernährung) lediglich 6,4 mg Zink aufgenommen. Ein Wert, den man schon bei der Hälfte oder bei einem Drittel der Zufuhr erreicht. Mit anderen Worten: Das würde bedeuten, dass wir unser Geld in die Kanalisation spülen, 40 mg genauso effektiv wären wie 90.

Das würde uns wieder einmal sehr schön vor Augen führen, wie wichtig der jeweilige (Ernährungs-)Kontext ist. Also: Bevor ich mich mit NEM zubombe, sollte ich halt kein Vegetarier oder Nuss-Liebhaber mehr sein.

Um das besser nachvollziehen zu können, hier noch mal eine Tabelle mit Phytat-Gehältern (aus dem Handbuch):

Phytatgehalt Lebensmittel Handbuch zu Ihrem Körper

Also: Wer sich wie ein Paläo-Anfänger die Nuss-Kuchen reinhaut, der wird seinem Zink-Haushalt auch keinen Gefallen tun. :-)

Referenz: Hambidge, K. M.; Miller, L. V.; Westcott, J. E. u. a. (2008): „Dietary Reference Intakes for Zinc May Require Adjustment for Phytate Intake Based upon Model Predictions“. In: Journal of Nutrition. 138 (12), S. 2363-2366, DOI: 10.3945/jn.108.093823.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

20 comments On Phytinsäure: Neues zur Zink-Aufnahme

  • Was Tobi und George ansprachen, quält mich ebenso. Wenn ich 500g Haferflocken (Trockengewicht) mit ein paar Mandeln esse, kann ich gar nicht so viel Zink auf natürlichem Weg zu mir nehmen, wie es überhaupt geht, um positive Zink-Werte zu erreichen? Bei 500g HF müsste ich ja schon über 120mg Zink am Tag essen…. oder eben der angesprochene Nusskuchen. Irgendwo muss doch da ein Trugschluss in dem Ganzen stecken. Ich meine – selbst bei bloß 100g Haferflocken müsste man schon 25mg Zink zu sich nehmen. Selbst das machen nur die aller-allerwenigsten, behaupte ich mal. Entspricht das ja schon einen halben Kilo Rindfleisch am Tag. Bei gerade mal 100g HF! Ganz zu schweigen davon, wenn man Chili-Con-Carne isst, mit massig Bohnen drinnen.

    • Ich denke, ganz so pessimistisch ist es nicht.
      Erstens müsste man mal die Werte aus der Tabelle genau analysieren und ggf. anpassen. So findet sich zB eine aktuelle Studie (2021), in der der Phytatgehalt in Haferflocken bei „nur“ 200-250 mg/100 g DW liegt. In der Studie liegt der Zinkgehalt bei 1-2 mg. Die wären also definitiv weg. (Vgl. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8361264/)
      Gleichwohl kann man durch z. B. Einweichen den Phytatgehalt nochmal drastisch senken. Hinzu kommt, dass die Phytinsäure ja eher Mahlzeiten-spezifisch wirkt und nicht generalisiert. Wenn du also morgens 200 g Haferflocken isst und abends ein Steak, dann passt’s doch. Ich denke, die DGE geht in ihren Berechnungen davon aus, dass man Phytinsäure relativ gleichmäßig über den Tag verteilt zuführt. Was ja auch Sinn macht, wenn man quasi in jeder Mahlzeit „gesunde Vollkornprodukte“ empfiehlt.
      Long story short: Es geht darum, dass rein pflanzliche Ernährungen viele Probleme mit sich bringen, Antinährstoffe gehören dazu. Wer sich gemischt ernährt, wird sehr sicher kaum Probleme damit haben und eher von der Phytinsäure profitieren.

      • danke für deine Antwort! :-)

      • Die Studie ist wirklich informativ und gut gemacht. Von durchschnittlich 1,65% (= 1,65g) laut Angabe auf durchschnittlich 0,28% (oder 0,28g Phytaten auf 100g) in der „Realität“ bei HF.
        Ich gehe jede Wette ein, dass die anderen Beispiele sich auch deutlich unterscheiden…

        Man kann sich aber schon verrückt machen, wenn man einfach nur versucht, „gesund“ zu leben – und dabei genau hinsieht. Vielleicht ist Carnivore Diet wirklich am sinnvollsten, weils hier keine Anti-Nährstoffe wie Lektine, Oxate und Phytate gibt?

        Sicher etwas, worüber man nachdenken könnte.

        Ich danke dir aber für deine tolle Seite im Allgemeinen – ich lese täglich darin und lerne so viel dazu!

        Super!

  • Kann mich der Frage von Tobi nur anschließen- ich essen periodenweise täglich eine handvoll “Nüsse“ (beziehe da auch nussaertige Früchte und Kerne mit ein).

    Im Wechsel rollierend (um Entstehen von Unverträglichkeiten vorzubeugen, Nährstoffe variabrl zu halten) täglich verschiedene Sorten. Jeweils vormittags.

    Nachmittags wie Tobi scheint mir auch ein gutes Zeitfenster zu sein.

    Was meint Ihr zur Einnahme, Zeitfenster, Cofaktoren?
    Wann am besten Essen?
    Ist täglich zu viel (25g statt 2-tägig 50g)?

  • Älterer, aber interessanter Artikel – deshalb nochmal nachgefragt: Ich esse gerne Nüsse, etwa jeden zweiten Tag so ca. 50g (Paranuss, Walnuss, Mandel, Haselnuss, Cashew, Erdmandel..) weil sie geil schmecken, viel Energie liefern und gute Fette.

    Was mich schon immer beschäftigt: Kann man einigermaßen verlässliche Angaben machen, ob es Sinn macht, Abstände zu den sonstigen Mahlzeiten zu halten (und wenn ja – wie lange?)? Ich esse die Nüsse meist als Nachmittagssnack, so 3h nach dem Mittagessen und 2h vor dem Abendsessen bzw. Shake (inkl. edubily-Kollagen mit Zink…)… quasi als Sicherheitsabstand für’s Gewissen.

    Ergibt das Sinn? Oder ist alles was in den nächsten Stunden danach kommt mehr oder weniger von der Phytinsäure betroffen? Ggf. sogar Mahlzeiten >3h davor? Oder kann man da gar keine Aussage zu tätigen?

    Ich will Nüsse aufgrund der vielen Vorteilen definitiv nicht meiden. Und auch die Phytinsäure hat ja ansonsten viele andere potenziell positive Wirkungen (deshalb, und weil es auf Dauer mega nervig ist, auch kein Einweichen)…

    Mich würde eine differenzierte Einschätzung dazu interessieren (wann am besten essen?)!

  • Mich würde auch sehr eure Meinung zur HPU/KPU interessieren :) Danke für eine Antwort!

  • Toller Beitrag Chris, gute Erklärung für ein Phänomen, dass wir sehr häufig in der Orthomolekularmedizin sehen bei den Messungen: chronischer „therapieresistenter“ Zink-Mangel trotz Substitution! Wie stehst Du zu dem Konzept der Kryptopyrolurie (KPU/HPU), das auch oft angeführt wird? Gruß Niels

    • Deine Meinung zu KPU / HPU würde mich auch brennend interessieren, Chris!
      Ich habe das „Handbuch zu Ihrem Körper“ gelesen. Auf dieser Grundlage habe ich mein Leben maßgeblich zum positiven verändert. Schonmal danke dafür!
      Nun habe ich also begonnen ich mit meinem Körper, meinem Geist und meiner Ernährung auseinanderzusetzen, was mir ein altes Testergebnis aus meiner Jugend in Erinnerung gerufen hat. Laut diesem bin ich an KPU / HPU (also Kryptopyrrolurie) erkrankt. Früher wollte ich die NEMs nicht Schlucken, die meine Mutter mir deshalb gegeben hatte.
      Heute denke ich mir, dass da schon was dran sein muss, da nahezu alle beschriebenen Symptome auf mich zutreffen und eine supplementierung mit einem Vit. B – Komplex und Zink bei mir sehr starke Effekte gezeigt hat.

      Viele Grüße,

      Joel

  • Es scheint sehr einfach zu sein, in eine negative Zinkbilanz reinzurutschen, wenn man nicht aufpasst. Kann man die Aufnahme verbessern, indem man das Zink über den Tag verteilt zu sich nimmt?

  • Hmm… das glaube ich nicht so recht. Mein Zinkwert im Blut liegt bei 1200yg/l bei Einnahme von 70mg/d Zink und bei 1500 yg/l bei Einnahme von 100mg/d.
    Chris hatte übrigens selber 1500yg/l Zinklevel als ideal vorgeschlagen, ich glaube im Handbuch- Chris, hast Du das mit 40mg/d Zink erreicht??

    • Ne, ne, nix als ideal vorgeschlagen. Lediglich Richtwerte vorgegeben, die man mal anpeilen könnte.

      Ich brauche überhaupt kein Zink-Präparat für einen hervorragenden Zink-Wert. Passendes Fleisch reicht vollkommen aus, aber da scheine ich wohl die Ausnahme zu sein.

      Der Punkt im Artikel ist ja: nicht, dass höhere Dosen nix bringen. Damit könnte man vielleicht „Engpässe“, die man gar nicht kennt, kompensieren. Also wer viel Phytinsäure isst, der profitiert natürlich von höheren Zink-Dosen. Genau wie jemand, der z. B. Probleme im Darm hat. Aber grundsätzlich gilt bei idealer Vorstellung nicht: je mehr ich einwerfe, umso mehr kommt im Blut an. Wer die Störfaktoren beseitigt, der kommt mit viel weniger aus.

      • Hallo,

        Vielen Dank für die Antwort.

        Na ja, die 1200-1500 yg/l wird durchaus auch von vielen Molekularmedizinern empfohlen und ist sicher eine recht gute Orientierung, zumindest für Männer. Diesen heutzutage ganz ohne NEM zu erreichen, scheint mir aufgrund der abnehmenden Inhaltsstoffe der heutigen Lebensmittel für die Meisten von uns offenbar nicht möglich.(auch wenn man sich sehr bemüht).
        Sicher sind auch die Resorptionsraten unabhängig von Faktoren wie Phytinsäure sehr unterschiedlich.

        Liebe Grüsse

        Ralf

        Am 24.11.2016 16:26 schrieb „Disqus“ :

  • Sehr interessanter Beitrag.
    Gibt es Werte / Zahlen die einen Vergleich zwischen den Phytinsäurewerten vor und nach dem Wässern darstellen?

    Ich wässere Mandeln, Samen usw. für mindestens 24-Stunden, macht das ganze Sinn?

  • Stellt sich noch die Frage, wie sich zeitliche Abstände auswirken. Man muss seine Paranüsse (Selen) ja nicht zeitgleich mit Zink einnehmen. Die Phytinsäure macht sich nach spätestens 2-3 Stunden rar im Dünndarm – theoretisch jedenfalls.

  • Mehr Zink wird wirklich nicht absorbiert? Aber wenn es nun stimmt, dass der Mann mit jeder Ejakulation etwa 5 mg Zink verliert, krieg ich das ja nie im Leben wieder aufgeholt…

    • Je nach Bedarf kann das sicher variieren, aber nicht deutlich mehr. Irgendwann sind Transportprozesse eben gesättigt.

      Wenn ein Mann 5 mg Zink pro Ejakulation verlieren würde, aber lediglich 6 mg max. aufnehmen kann, dann wäre die Spezies Mann längst ausgestorben, wie ich das einschätze.

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