Typ-2-Diabetes umkehren: Einfacher wird es nicht

Der süße Diabetiker da im Bild heißt Chris Eikelmeier. Hier geht’s zu seiner Plattform.


Wenn man nicht einer ideologischen Grundhaltung verfallen ist und sich intensiv mit der Biochemie befasst, was ja derzeit gerne mal ein bisschen ins Lächerliche gezogen wird, dann muss man große und richtige Tendenzen, um nicht zu sagen „Wahrheiten“, einfach sehen. Genau diese — doch, doch — biochemischen Wahrheiten waren die Grundmotivation für mich, diesen Blog hier überhaupt zu starten.

Deshalb sprachen wir immer wieder über:

Wir hier also kümmern uns um den (Energie-)Stoffwechsel. 

Wer mal die Pinnwand von Arthur de Vany, dem „Großvater der amerikanischen Paläo-Bewegung“ verfolgt, der wird vielleicht ein bisschen schmunzeln. Der regt sich mittlerweile ständig darüber auf, dass sich das ganze Paläo-Gebilde in die falsche Richtung entwickelt hat. Kurzgefasst: Statt gutem Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse und Wurzeln, gibt’s heute Nusskuchen mit Sahne (= keto).

Unsere Leser würden sich bestens auskennen: Alles, worüber er in letzter Zeit so schreibt, findet man bei uns im Blog. Veröffentlicht schon Ende 2014 (Handbuch).

Vielleicht wundern sich viele Leser darüber, dass wir immer wieder über Insulinresistenz schreiben. Der Punkt ist, dass sich quasi alles um eine gesunde Insulin-Regulation dreht. Weil die Insulin-abhängige Hormonregulation letztlich massiven Einfluss auf die Genexpression unserer Zellen hat. Das wiederum steuert die systemische Gesundheit, also alles, was uns letztlich gesund machen soll. Wir haben im Leben nicht unendlich viel in der Hand. Was wir aber ganz sicher und maßgeblich regulieren können, ist das Insulin-Signaling.

Herr de Vany kann also, nach dem Lesen der Literatur, überhaupt nicht verstehen, wie ein Diabetiker oder Insulinresistenter sich fettlastig ernähren kann, wo doch klar ist, dass wir mit zusätzlichen Nahrungsfetten den Druck auf die Mitochondrien erhöhen, die ja eh schon massive Problemen haben, das viele Fett zu oxidieren.

Bei Diabetikern und Insulinresistenten dreht sich also sehr vieles um Fett. Körper- oder Nahrungsfett. Daher hatten wir in unserem Stoffwechsel-Buch geschrieben, dass ein Fettverlust, vor allem in der Bauchspeicheldrüse bzw. in der Leber, den Diabetes einfach umkehrt!

Umkehrt. Nie wieder Medikamente. Normale Insulin-Produktion.

Ein Fettverlust. Erreicht durch eine negative Fettbilanz! Es gibt genügend Keto-Blogs von Diabetikern. Die machen sich fette Knochensuppe, kippen Sahne in den Kaffee oder ernähren sich von Avocados. So wird das schwer, mit einer negativen Fettbilanz bei vorgeschädigten Mitochondrien. Tatsächlich wird ja oft sogar eine Ketose angestrebt. Es wird also so oft solange und so viel exogen Fett zugeführt, bis der Urin (etc.) Ketonkörper enthält.

Vielleicht noch mal: 2011 gab es eine schöne Untersuchung an einigen Diabetikern. Die mussten mal ein paar Wochen von 600 Kalorien täglich (ja, ist hart) leben. Die bestanden zur Hälfte aus Kohlenhydraten, zu 30 % aus Protein und 20 % aus Fett. Flüssignahrung (Optifast von Nestle).

Kurzgefasst: Nach 8 Wochen waren sie keine Diabetiker mehr. Alle Diabetes-assoziierten Marker glichen sich der Kontrollgruppen-Werte an, sogar die First-Phase-Insulinausschüttung normalisierte sich, was ja angeblich unmöglich sei.

Da fragt man sich: Was will ein zuckerkranker Mensch eigentlich mehr?

Doch das Interessante kommt jetzt:

  • Fettsäuren inhibieren die Insulin-Ausschüttung in vitro und in vivo.
  • Dauerhafte Erhöhung der Fettsäure-Konzentration im Blut hemmt die Ausschüttung von Insulin (in Menschen).
  • Kurz zuvor wurde gezeigt, dass der Fettgehalt in der Bauchspeicheldrüse wohl mit T2D zusammenhängt.
  • Vor spontanem Diabetes in Nagern, steigt der Fettgehalt in der Bauchspeicheldrüse sprunghaft an.
  • Werden ß-Zellen chronisch in gesättigten Fetten „gebadet“, wird die Insulin-Ausschüttung blockiert.
  • Das normalisiert sich, sobald man sie eben nicht mehr in Fetten bzw. Fettsäuren badet.

Die Autoren wussten damals nur nicht, ob es tatsächlich an den Fettsäuren liegt oder an den daraus entstehenden toxischen Abkömmlingen wie DAG oder Ceramide — Ähnliches gilt ja für den Muskel. Nichtsdestotrotz: Wer sich wundert, warum das alles immer so Fettsäure-abhängig ist, der muss wissen, dass Diabetiker und Insulinresistente quasi immer eine vielfach höhere Konzentration freier Fettsäuren (und Ketone!) im Blut haben. Das Fettgewebe arbeitet hier nicht mehr als metabolischer Puffer, der Fettsäure-„Spill over“ in den Blutstrom steigt proportional zur Fettmasse, insbesondere der Viszeralfettmasse.

Eine weitere interessante Beobachtung war, dass sich der Fettgehalt der Leber quasi viertelte. Auch hier gilt, dass Fette (bzw. Abkömmlinge) die Insulinsensitivität einschränken. Als Folge kann Insulin nicht mehr wirken, Glukagon übernimmt und sorgt dafür, dass die Leber noch mehr Glukose produziert. Auch das normalisierte sich.

Zu guter Letzt noch eine Randbemerkung: Die starken Veränderungen treten innerhalb weniger Wochen auf, oft noch bevor überhaupt großartig Gewicht verloren wurde. Das hat man zuerst bei bariatrischen Eingriffen entdeckt, bei denen sich Diabetes auch umkehren lässt. Das liegt zum einen daran, dass Organfett viel schneller verbrannt wird als Unterhautfettgewebe. Zum anderen spielen eben auch die Darmhormone eine Rolle, Stichwort Inkretin-Effekt.

Was bleibt ist die banale Feststellung:

Normalisation of both beta cell function and hepatic insulin sensitivity in type 2 diabetes was achieved by dietary energy restriction alone.

Oder, etwas anders ausgedrückt: Erreicht durch eine negative Fettbilanz.

Fette sind nicht schädlich. Im Gegenteil. Fette waren nie schuld an unserer Krankheit. Genauso wenig wie Kohlenhydrate oder andere „Feinde“. Das einzige Problem war unser gestörtes Essverhalten (ja, OK, manchmal auch Genetik) und die daraus resultierende anomale Physiologie. Um es in der vulgären Sprachen eines Chris Eikelmeiers auszudrücken:

Also „ZU“ ist „immer“ schlecht. ZU viel Kohlenhydrate, ZU wenig Kohlenhydrate. ZU viel Protein, ZU wenig Protein. ZU viel, ZU wenig.

Und jetzt hol dir erstmal einen runter, iss dein Eis und geh zum Training.

Normale Physiologie. Die Physiologie eines Sportlers also. (Plus das Wissen aus edubily. ;-) )

Lim, E., Hollingsworth, K., Aribisala, B., Chen, M., Mathers, J. and Taylor, R. (2011). Reversal of type 2 diabetes: normalisation of beta cell function in association with decreased pancreas and liver triacylglycerol. Diabetologia, 54(10), pp.2506-2514.

Ich bin Phil Böhm, Mitgründer von edubily.de. Ich absolvierte mein Bachelor-Studium im Fach Sportmanagement und –journalismus an der Hochschule Mittweida. Wegen einer Darmerkrankung musste ich mich schon früh intensiv mit gesunder Ernährung und verschiedenen Diät-Formen auseinandersetzen. Bei edubily kümmere ich mich vor allem um die organisatorischen Abläufe.

9 comments On Typ-2-Diabetes umkehren: Einfacher wird es nicht

  • „interessant“ ist auch das man eigentlich gar keine Medikamente (zum kaufen) für den Inkretin Effekt findet, Wirkstoff : Sitagliptin. Sonst findet man dich immer sofort jegliche Medikamente.

  • Danke

    Die Botschaft des Tages lautet: Fett bremst/hemmt das Insulinsignal/die Insulinsensitivität. Ob jetzt ZU viel Butter auf dem Brot, ZU viel um die Hüften oder ZU wenig Bewegung ist zweitrangig…

    Habe ich das richtig verstanden?

    LG

    Joe

  • Im Endeffekt bestätigt du ja unfreiwillig, dass Ketogen funktioniert, ohne auch nur ansatzweise zu argumentieren, dass Diabetes nicht entstehen kann, wenn man nicht zuviel isst. Am schnellest müste man doch aus Diabtetes Symptomen raus kommen, wenn man fastet ? Und beim Fasten kommt man auch schnell in Ketose. Was bei einer 600 kcal Diät ebenso durchaus der Fall sein kann, dass man da auch schon Ketonkörper im Blut hat. Nix essen oder kaum was essen resultiert logischerweise in wenig Insulin. Ketogen dauerhaft wenig Insulin haben geht, dauerhaft nix essen oder auf 600 kcal leben geht eben nicht. Gibt genug schlanke Diabetiker. Gibt auch genug Sportler, gerade Ausdauersportler, die ein Leben lang Carbs fressen und Diabetes bekommen. Je älter man wird umso schlechter wird diw Carb Toleranz. Fett verbrennen macht sehr viel mehr Sinn meinst du nicht ?

    • Hallo Marcus,

      ich bestätige nicht „unfreiwillig“ dass „ketogen“ funktioniert. Ich differenziere nur zwischen iso- und hypokalorischen ketogenen Diäten. Das haben wir übrigens schon x-fach getan, in allen Büchern und in sämtlichen Texten hier. Ich brauche auch nicht zu argumentieren, „dass Diabetes nicht entstehen kann, wenn man nicht zu viel isst“, wenn ich klar zum Ausdruck bringe, dass ein Überfressen in erster Linie an der Pathologie schuld ist bzw. umgekehrt, die Gewichtsabnahme zum Erliegen des Diabetes führt — hast du den Artikel bis zum Ende gelesen? ^^

      Du unterscheidest in deinem Kommentar nicht zwischen iso- und hypokalorischer ketogenen Diät. Das sind zwei völlig verschiedene paar Schuhe. Ich empfehle dir dazu mal sämtliche Artikel von uns lesen.

      LG, Chris

    • Ketogene Ernährung hat erst mal nicht mit Zu. oder Abnehmen zu tun. Man kann sich auch ketogen fett fressen; mit den daraus resultierenden Problemen (zu viel Fettgewebe, zu viele Fettsäuren im Blut).
      Da „funktioniert“ dann ketogene Ernährung nicht wirklich im Sinne des Anwenders.

        • Wie sieht es eigentlich mit den unterschiedlichen metabolisierungen der einzelnen Substrate aus? Es gibt ab und wann das Argument, Kohlenhydrate hätten als „Abfallprodukt“ im Zitratzyklus Laktat (so um die 25%) . Fette nicht. Oder ist mir da etwas entgangen? Gleichwohl bin ich bei den berühmt/berüchtigten „100g -Nußriegeln“ ganz bei Dir ! Überfressen geht mit beiden Methoden. Wobei es Menschen geben soll, bei denen das Sättigungsgefühl bei fettreicher Ernährung schnell greift. Und bei der entsprechend höheren Energiedichte + (wenn`s stimmt) dem nicht anfallenden Laktat, was dann auch einen Teil der Energieproduktion lahm legt, wäre das schon ein Gewinn! Nicht nur und immer, klar. Insulinresistentz ist eine ganz blöde Sache so auf Dauer.

          • Grüß dich Justus,

            Laktat entsteht nicht im Citrat-Zyklus, sondern davor. Wie und ob Laktat anfällt, ist von Person zu Person dramatisch verschieden, auch die Fähigkeit, bei hohen Sportbelastungen noch nicht sauer zu werden – beim anheben der anaeroben Schwelle spielt genau die Anpassung bezüglich Laktat-Verarbeitung eine große Rolle via MCT-Transporter. Das gilt allerdings auch für Fettsäure-Oxidation, denn bei den Belastungen, von denen wir gerade sprechen, ist auch mit Fettsäure-Oxidation nichts mehr, da greift der Muskel dann auch auf Glucose => Laktat zurück.

            Was das Sättigungsgefühl angeht, bin ich teilweise bei dir. Fette sättigen gut, das stimmt.

            Viele Menschen begreifen nicht, dass die vermeintlichen „Vorteile“ gar keine sind, weil der Körper sowieso immer wieder Homöostase anstrebt. Der einzige Unterschied ist oft die Machbarkeit, also wie gut sich Sachen umsetzen lassen. Low Carb ist da sicher weit vorne.

            LG

    • „interessant“ ist auch das man eigentlich gar keine Medikamente (zum kaufen) für den Inkretin Effekt findet, Wirkstoff : Sitagliptin. Sonst findet man dich immer sofort jegliche Medikamente.

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