Leber in der Schwangerschaft

Leber in der Schwangerschaft

Frauen wird mittlerweile dazu geraten Leber in der Schwangerschaft zu essen!

Heute wird ja viel zu Vitamin D geschrieben. Zurecht, denn daraus entsteht im Körper ein Hormon namens Calcitriol. Hormone, könnte man meinen, sind nicht ganz unwichtig — schon gar nicht in entscheidenden Entwicklungsphasen.

Calcitriol alleine reguliert ca. 1000 Gene. Darunter sei, so Bruce Ames neulich, auch ein Serotonin-Gen. Vitamin D aktiviert also die Bildung unseres „Glückshormons“ im Kopf. Grund genug sich um Vitamin D zu kümmern, nicht wahr?

Schon seit Jahren versuchen wir den Lesern hier zu vermitteln, dass es nicht richtig sein kann, für Ungleichgewichte in einem System zu sorgen. Das aber passiert, wenn man mit Hochdosen eines Stoffes arbeitet und dabei andere, ebenfalls wichtige Stoffe ignoriert oder vergisst.

Aus Vitamin A entsteht im Körper auch ein Hormon: die Retinsäure. Manchmal ist sie ein Gegenspieler von Calcitriol und manchmal ergänzen sie sich perfekt.

Fakt ist: Beide haben jeweilige Kernrezeptoren in Zellen. Das haben viele wichtige Hormone, etwa Schilddrüsenhormone, Androgene und Östrogene. Die Hormone binden an den jeweiligen Rezeptor und als Hormon-Rezeptor-Komplex wandern sie zur DNA und regulieren dort Gene.

In Wahrheit ist es noch eine Stufe komplexer, denn diese Rezeptoren, wenn aktiviert, lagern sich auch zusammen und aktivieren erst im Verbund Gene. Das macht z. B. der Schilddrüsenhormon-Rezeptor mit dem Vitamin-A-Rezeptor. Oder, mal anders ausgedrückt:

Schilddrüsenhormone verlieren einen Teil ihrer Power, wenn nicht genug Vitamin A da ist. 

Nun gut. Lange Rede …

Kann ich der Schwangerschaft Leber essen?

Das Bundesamt für Risikobewertung kam 2004 zum Schluss:

Schwangere decken den erhöhten Vitamin-A-Bedarf nur durch Leber.

Das aber sollten die doch tunlichst vermeiden, oder? Denn die gleiche Institution hatte davor jahrelang gewarnt, bloß keine Leber während der Schwangerschaft zu essen — die enthalte zu große Vitamin-A-Mengen. Daraus könnte zu viel der o. g. Retinsäure entstehen und die kann höchst schädlich („teratogen“) wirken.

Ob das Frauen in Jäger-und-Sammler-Populationen auch so machen? Brauchen die ein Bundesamt für Risikobewertung?

Also hat man mal nachgemessen. Verglichen wurden unterschiedliche Vitamin-A-Dosen aus einem Ergänzungsmittel und Leber.

  • Nur rund 40 % des Vitamin A aus Leber werden überhaupt vom Körper aufgenommen.
  • Zusätzlich erfolgt die Aufnahme langsam, im Vergleich zum Ergänzungsmittel.
  • Nur nach der Zufuhr des Ergänzungsmittels stieg die (potentiell gefährliche) Retinsäure deutlich an — etwa 20-fach höher als nach dem Leber-Konsum.

Was sagt uns das?

Die Angst vor einem Lebensmittel ist unter normalen Umständen unbegründet.

Unter normalen Umständen bedeutet, dass man eben 100 bis 200 g Leber pro Woche isst, kein Kilogramm. Aber selbst bei dauerhaft hohem Konsum sind kaum Probleme zu erwarten, da der Vitamin-A-Gehalt im Blut — und somit das, was Gewebe erreichen kann — vom Körper konstant gehalten wird.

Den letzten Satz sollte man sich hinter die Ohren schreiben: Die Vitamin-A-Konzentration im Blut sagt nichts über den Versorgungszustand aus. Ich will das kurz angesprochen haben, weil es Menschen gibt, die Vitamin A als Ergänzungsmittel kaufen und sich dann beschweren, weil „der Vitamin-A-Wert nicht angestiegen“ ist.

Back to the roots: Leber kann köstlich schmecken und ist unbedingt Teil einer gesunden Ernährung!

Übrigens: Bevor jetzt Panik ausbricht ob der „20-fach höheren Retinsäure-Konzentration“ nach dem Einwerfen von Vitamin-A-Pillen … Diese Thematik ist eigentlich auch schon geklärt. Schwangere sollten darauf achten, für den Rest spielt das keine Rolle. Nur eins steht fest: Nahrungsergänzungsmittel sollen die (gesunde) Nahrung ergänzen, nicht ersetzen. ;-) Gilt übrigens auch für Vitamin D vs. Licht.

Referenzen

Domke A, Großklaus R, Niemann B, Przyrembel H, Richter K, Schmidt E, Weißdorn A, Wörner B, Ziegenhagen R. Verwendung von Vitaminen in Lebensmitteln. Toxikologische und ernährungsphysiologische Aspekte. Berlin: BfR Wissenschaft; 2004

Buss NE, Tembe EA, Prendergast BD, Renwick AG, George CF. The teratogenic metabolites of vitamin A in women following supplements and liver. Hum Exp Toxicol. 1994;13:33–43

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

3 comments On Leber in der Schwangerschaft

  • Wie kann man denn dann den Status im Körper diverser Vitamine und Mineralien messen?
    Ist ja die Frage, ob man generell zu wenig zuführt oder ob sie eben nicht richtig aufgenommen werden

  • Sehr gut. Nur wo bekomme ich Leber her? „Normale“ Leber aus dem Supermarkt ist keine Bio-Leber und wohl mit Schwermetallen belastet. Bio Metzger kenne ich keinen.

    • Hallo Thorsten,
      nimm doch Leber von kleinen Tieren, so ein Huhn wird bspw. ungefähr sieben Wochen gemästet, da kann sich nicht so richtig viel ansammeln in der Leber. Auf unserem Wochenmarkt gibt es einen Geflügelhändler, der auch Leber anbietet. Da kann ich dann den Supermarkt umgehen.

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