Leucin ist die anabole Aminosäure schlechthin. Das funktioniert durch eine Aktivierung von mTOR, genauer gesagt des mTORc1-Komplexes.
Nicht über den bekannten PI3K and Akt/-Pfad wie bei Insulin sondern via hVps34 1 wodurch interessanterweise der gestiegene intrazelluläre Calciumspiegel mTORC1 triggert 2. Das ist übrigens dasselbe, was auch bei muskulärer Betätigung passiert.
Zumindest in vitro, im Labor, klappt der Anabolismus via Leucin, aber dummerweise gerade nicht in vivo bei Kachexie oder beim altersbedingten Muskelverlust. Also ausgerechnet dann, wenn es um die Wurst geht und nicht um den breitesten Latissimus.
We conclude that leucine, as a standalone nutritional intervention, is not effective in the prevention of muscle wasting 3
Leucin alleine bringt im Alter also nichts. Leider! Was passiert da genau? Eine äußerst interessante Teilerklärung liefert folgende Arbeit von Ham et al.4
Entzündungen hemmen den Muskelaufbau
Da nimmt man Mäuse und spritzt denen Lipopolysaccharide, um somit eine akute Entzündung zu erzeugen. Etwa so wie es bei vielen von uns im Alter eben so kommt. Man nennt diese im Alter steigenden Entzündungsvorgänge und die hierdurch getriebene vermehrte Produktion von freien Radikalen (ROS) auch Inflammaging („Entzündungsaltern“), was einen unabhängigen Treiber des Alterungsprozesses an und für sich darstellt.
Und Entzündungsprozesse unterbrechen die mTOR-Signalisierung 5. Diese Mäuse können durch die so entstandenen Fehlregulierungen, ebenso wie Menschen, im gesetzteren Alter jetzt nicht mehr so gut Proteinsynthese betreiben; ihre Muskelmasse nimmt somit tendenziell ab. Es entsteht eine sogenannte anabole Resistenz: die Muskeln reagieren also nicht mehr so gut auf anabole Stimulation.
Glycin für mehr Anabolismus
Gab man in dieser Arbeit den Mäusen nun Leucin (und Alanin als weitere Aminosäure zur Kontrolle) so steigt die Muskelproteinsynthese an, aber nicht signifikant. Wie zu erwarten war.
Außer man war eine der glücklicheren Mäuse, die zuvor anstatt Alanin Glycin erhalten hatten: dann klappt es mit der mTOR-Aktivierung wieder und die Muskelproteinsynthese steigt an, dieses Mal signifikant!
„These observations support the view that attempting to stimulate protein synthesis by increasing leucine availability alone constitutes an ineffective strategy to counteract anabolic resistance in muscle wasting conditions.“
So kann man auch den hier beschriebenen Versuch mit den älteren Herrschaften, bei denen eine Glycingabe beinahe einer Testosteronkur gleichkam, auch besser verstehen.
In dem Versuch von Ham et al. wurden Leucin und Glycin übrigens in einer 1:2 Ratio gegeben. Praktisch gesehen heißt das für uns 1 Teil BCAA (mit 50% Leucin) auf 1 Teil Glycin im Shake.
Die kleinste Aminosäure, das „langweilige“ Glycin, überrascht halt immer wieder.
10 comments On Glycin, Entzündungen und die anabole Resistenz
Ich (60) teste das jetzt seit etwa 4 Monaten. 3 x täglich ca 7,5g Leucin plus 1g HMB plus 5g Glycin (natürlich auch ausreichend Proteine, ca 2,5-3g je kg, und alles andere, was der Körper so braucht), 3 x wöchentlich Training jeweils bis zur Muskelerschöpfung. Ergebnis: Keine wie auch immer merkbare Wirkung in Hinblick auf Hypertrophie. Schon gar nicht „Boooom“-Effekt wie man es einer Testo-Kur zuschreibt.
Übrigens: Einerseits macht man diese altersbedingten inflammatorischen Vorgänge, also vielfältige Entzündungen, im Körper für die anabole Resistenz verantwortlich. So was bekommt man ja leicht, z.B. Arthrose, Rheuma usw. ist weit verbreitet. An anderer Stelle hier wurde die Hypothese beschrieben, daß diese entzündlichen Vorgänge die trainingsüberlastungsbedingten „Entzündungen“, die für Muskelhypertrophie wichtig seien, sozusagen als zu starkes „Hintergrundrauschen“ kaschieren, verdecken würden. Andererseits heißt es, daß eine Überversorgung mit z.B. Vit.C, das ja bei entzündlichen Vorgängen helfen soll, trainingsbedingte Entzündungen zu sehr bekämpfen, verhindern würde (jetzt mal laienhaft formuliert).
Da frage ich mich: Was denn nun? Anderweitige Entzündungen sind schlecht. Deren „Bekämpfen“ durch viel Vit.C oder gar entsprechende Medis ist auch verkehrt. Irgendwie scheint man als älterer Mensch unabdingbar die A…-Karte gezogen zu haben.
Was ist denn da in diesem Versuch mit der Kontroll-Gruppe passiert? Warum hat DIE denn eine gestiegene Muskelproteinsynthese?
Und liegt diese Steigerung auch implizit den beiden anderen Gruppen zugrunde?
Die Kontrollgruppe (schwarzer Balken) hatte durch Leucingabe wie erwartet eine höhere Muskelproteinsynthese.
Bei Induzierter Entzündung (durch LPS-Gabe) und Alanin = grauer Balken führt eine Leucingabe (rechter Kasten) zu keiner signifikant erhöhten Muskelproteinsynthese.
Und beim weißen Balken war auch eine induzierte Entzündung (durch LPS-Gabe) únd eben Glycin: Ohne Leucin war die Muskelproteinsynthese wie bei Alanin supprimiert. Mit Leucin aber war die Glycingabe für die Muskelproteinsynthese signifikant positiv gewesen
Ich habe aber auch eine Weile dafür gebraucht das Setting zu verstehen ;oD
Wäre dann eine praktische Empfehlung nicht einfach Whey? Glycin und Leucin sind ja enthalten – und nicht isoliert.
Whey enthält vergleichsweise wenig Glycin.
Hm ok. Wenn ich also Glycin zusätzlich hinzufüge, wie verhält sich das mit der Aufnahme? Glycin nutzt ja die selben Transportkanäle wie die anderen Aminosäuren. Oder irrelevant?
Nicht alles so kompliziert machen. Whey mit Kollagen-Hydro mischen und fertig. :-)
Whey-Konzentrat hat so bis 10 bis 12% Leucin und Collagen 20 bis 25% Glycin. Macht also 4 Teile Whey auf 1 Teil Collagen. Und wer BCAA als Preworkout nimmt kann es wie oben beschrieben 1:1 mit Glycin mischen. Das Glycin erspart einem ja sogar den Süßstoff für das BCAA ;o)
Zitat: „Whey-Konzentrat hat so bis 10 bis 12% Leucin und Collagen 20 bis 25% Glycin. Macht also 4 Teile Whey auf 1 Teil Collagen“
Das kann so nicht stimmen. Bei einem gewünschten Leucin/Glycin-Verhältnis von 1:2 komme ich auf 1 Teil Whey und 1 Teil Collagen.
Hast Recht- ich hatte fälschlicherweise mit Kehrwerten gerechnet. Also Collagen mit Whey 1:1 zu mischen ist ideal.