Ballaststoffe sind Doping für den Energiestoffwechsel

Schade, dass wertvolle Informationen nicht auch als solche wertgeschätzt werden.

Wenn ich als „Beginner“ ein Buch wie „Stoffwechsel beschleunigen“ in die Hände bekommen hätte, hätte ich nicht sicher nicht gejammert ob der Schwierigkeit, sondern hätte mir die Zeit genommen, die Lektüre ordentlich durchzuarbeiten. Es gibt also die Menschen, die meinen, dieses Buch sei überfordernd oder unstrukturiert.

Dann gibt es das andere Extrem, das sich sicher ist, dass das Buch nichts Neues gibt, „ich wusste vorher schon, dass richtige Ernährung wichtig ist“ — so, so.

Ein bisschen nicht so vorlaute Zurückhaltung würde dem einen oder anderen sicher nicht schaden. Denn ich weiß, dass dieselben Menschen dann drei Monate später Mails schreiben und wissen wollen, wie sie dieses oder jenes — auf gesundheitlicher Ebene — ändern können.

„Steht alles in unseren Büchern“, denke ich mir dann.

Also schlage ich Seite 106 auf. Auf den folgenden Seiten steht etwas, was man im deutschen Internet so nirgends lesen kann. Dort steht auf drei Seiten zusammengefasst, warum Ballaststoffe, via Fermentation zu kurzkettigen Fettsäuren, so essentiell für dich sind, wie „essentielle Mikronährstoffe“.

Diesen essentiellen Charakter versteht man beispielsweise, wenn man vorweg mal verstanden hat, dass sich nahezu alles im Energiestoffwechsel um Mitochondrien dreht. Wenn man verstanden hat, dass wir möglichst oft dafür sorgen müssen, dass PGC-1alpha, der „Mitochondrien-Schalter“, aktiviert wird. PGC-1alpha ist der Grund, warum wir Sport treiben.

Ich möchte kurz erinnern an die Zoo-Gorillas. Die immer Pellets bekamen, vollgestopft mit Nährstoffen und Kohlenhydraten. Über diese tolle Mischung haben sich schlaue Menschen bestimmt viele Gedanken gemacht. Muss ja gesund sein. Die Zoo-Gorillas aber waren übergewichtig und stoffwechselkrank.

Bis eines Tages mal der glorreiche Gedanke aufkam, den Tieren einfach das zu geben, was sie in der Wildbahn fressen. Also, hauptsächlich Blätter und Grünzeug.

Die Tiere aßen ab sofort den ganzen Tag, aber verloren dramatisch an (Über-)Gewicht.

Was da passiert ist? Man hat die Darmbakterien mal wieder arbeiten lassen. Man hat dafür gesorgt, dass Darmbakterien wieder fermentieren konnten. Dabei entsteht ein „Supertreibstoff“ namens Butyrat, eine kurzkettige Fettsäure.

In einer in Nature publizierten Arbeit1 steht in meinen Augen der Grund dafür: Die kurzkettigen Fettsäuren binden an gewisse Fettsäure-Rezeptoren, die beispielsweise auf dem Fettgewebe sitzen, und modulieren dort gewisse Signalwege. Unterm Strich, so die Autoren, sorge das dafür, dass diese kurzkettigen Fettsäuren „Überschuss“ signalisieren. Der Körper erkennt als Folge, dass er wohl genug Energie zugeführt hat und … wehrt sich dagegen.

Ergibt Sinn, nicht wahr? Zumindest, wenn man sich vorstellt, dass der Mensch sicher nicht dazu erdacht war, tonnenweise Gewicht zuzulegen. Irgendwann muss Schluss sein. Alles andere gefährdet das Überleben. Bei uns Modernen gibt es diese Stop-Signal scheinbar nicht mehr — im Gegenteil, wir geben uns ja größte Mühe, diese Schutzmechanismen auszuschalten.

In der Wildnis dürfte es so sein, dass, ob gewollt oder ungewollt, pro zugeführter Nahrungskalorie, auch mehr Ballaststoffe zugeführt wurden. Zumindest bei unseren afrikanischen Urmenschen-Freunde, den Hadza, ist das heute noch so. Die hauen am Tag mal eben so 100 g Ballaststoffe weg. Wir mit Mühe 15 g.

Natürlich hat man sich vor Jahren schon angesehen, was speziell Butyrat im Körper macht2. Zumindest in Tierstudien sorgte Butyrat dafür, dass die Tiere trotz „Western Diet“ schlank blieben. Die hatten auch eine hervorragende Insulin-Sensitivität, einen erhöhten Energieverbrauch, eine viel bessere Fettverbrennung und … Super-Muskeln.

Denn dieses Zeug wirkt wie Dünger auf Muskeln. Es aktiviert den eingangs erwähnten PGC-1alpha-Signalweg via AMPK und PPARdelta. Von PPARdelta wissen wir ja schon: Mit diesem Schalter kann man Ausdauermäuse züchten. Die rennen dann doppelt so lang. Einfach so.

Also. Ich frage mich dann, ob die Menschen, die so wichtige Informationen einfach so abtun, bei Amazon direkt, z. B., resistentes Dextrin bestellt haben.

Natürlich nicht. Die werden sicher auch nicht ihren Chrom-Spiegel messen gehen. Und Veganer, die das Buch lesen, werden auch nicht auf die Idee gekommen, Eisen, Kreatin und Co. in Form von Fleisch zu essen. Es wird sicher auch nicht über Calcium nachgedacht werden. Und Eiweiß, Vitamin A und Magnesium führen wir alle sowieso genug zu. Dass man ohne Meeresfrüchte über einen Energiestoffwechsel nicht nachdenken muss … das ignorieren wir mal.

Unterm Strich legen wir das Buch dann weg, ändern nichts und bleiben bei unserer Überzeugung, dass wir sowieso schon alles irgendwie richtig machen.

So ist das auch mit den Ballaststoffen. edubily-Leser sollen sich aber, wie immer, nicht beschweren. Ab heute haben wir alle gewusst, dass Ballaststoffe zu den „essentiellen Stoffen“ gehören.

  1. Kimura, Ikuo; Ozawa, Kentaro; Inoue, Daisuke u. a. (2013): „The gut microbiota suppresses insulin-mediated fat accumulation via the short-chain fatty acid receptor GPR43“. In: Nature Communications. 4 , S. 1829, DOI: 10.1038/ncomms2852.
  2. Gao, Z.; Yin, J.; Zhang, J. u. a. (2009): „Butyrate Improves Insulin Sensitivity and Increases Energy Expenditure in Mice“. In: Diabetes. 58 (7), S. 1509-1517, DOI: 10.2337/db08-1637.

Ich bin Phil Böhm, Mitgründer von edubily.de. Ich absolvierte mein Bachelor-Studium im Fach Sportmanagement und –journalismus an der Hochschule Mittweida. Wegen einer Darmerkrankung musste ich mich schon früh intensiv mit gesunder Ernährung und verschiedenen Diät-Formen auseinandersetzen. Bei edubily kümmere ich mich vor allem um die organisatorischen Abläufe.

6 comments On Ballaststoffe sind Doping für den Energiestoffwechsel

  • Du hast mich überzeugt, das Stoffwechselbuch nochmals zu lesen. Beim ersten Lesen war ich noch zu vegan unterwegs. :D

    Habt ihr eine Bitcoin-Spendenadresse?

    • Neben einer Bitcoin-Spendenadresse solltet Ihr auch einen Account bei Steemit haben und Eure Artikel dort posten…

  • Schön geschrieben und absolute Zustimmung. Das Gleiche hatte ich vor ca. 3 Jahren im Darmbakterien Buch von Zschocke (http://www.darmbakterien-buch.de/) gelesen, was mich mit meiner viel Gemüse & Grünzeugsstrategie unterstützt. Seit dem nehme ich täglich um die 80g Ballaststoffe mit meiner Nahrung zu mir und alles ist absolut ‚Cremig‘ :-) Das sind dann meist um die 2KG Obst und (primär) Gemüse pro Tag… oder mehr.

    @Andi

    Die Nährstoffaufnahme bei rohem Gemüse ist größer (fast wie gekocht) und bei Obst geht wegen der pürierten Ballaststoffe der Fruchtzucker schneller ins Blut… weswegen viele davon abraten. Obs besser ist? Eine Studie die ich mal gelesen habe hat sogar von Vorteilen berichtet wenn Getreide nicht komplett fein vermahlen ist – also mal ein halb angemanschtes Korn dazwischen – weil dann Mikroben da besseres Futter haben. Wenn das nun alles feinpürierter Brei ist… nicht richtig eingespeichelt wird (Kauen), wenig Gallenflüssigkeit, etc. pp. – ich denke da geht teils der Optimierungsgedanke an der physiologischen Wirklichkeit vorbei….

    Ich Keime deswegen Hafer & Buchweizen an (2 Tage) und kaue das Zeug. Wenn mal ein paar Körner durchrutschen – ich gönne es meinem Mikrobiom :-)

  • Super Post, ist selbst püriertes Gemüse/Obst eigentlich genauso gut als wenn man es so isst, also vom Ballaststoffanteil her?

    • Pürieren ist meiner Meinung nach wie extrem gründliches Kauen. Von daher bleibt der Ballaststoffanteil gleich.

  • Lieber Chris,
    das ist wieder ein wohltuender Artikel und ganz wichtig für Menschen wie mich, die vor lauter Begeisterung darüber, was es noch an Neuem zu entdecken gibt, immer ein wenig in Gefahr sind, sich im NEM-Dschungel zu verirren und darüber die Fundamente aus den Augen zu verlieren.

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