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Warum O-saft wach macht

Newsletter vom 14.03.21


Saft … für die einen ein rotes Tuch. Für andere ein Segen.

Eigentlich sollte man Saft (in Maßen) lieben. Denn speziell bei Ernährungsformen, die vorsehen, beispielsweise Getreide oder andere kohlenhydrat- und proteinreiche Pflanzenteile vom Speiseplan zu streichen, können sie nicht nur ein ganz netter Kalorienspender sein, sondern auch den für eine gute Stoffwechselleistung nötigen Zucker liefern.

Ist der Saft hierbei nicht allzu stark verarbeitet, ist zu erwarten, dass Teile des Zuckers noch immer teilweise von Zellwänden umgeben sind und er daher nicht wie eine gezuckerte Cola einschlägt. Der Darm hat dann die Zeit, die Fruktose zu entschärfen und daraus die harmlose, aber energiespendende Glukose zu machen.

Doch das ist gar nicht alles. Was viele Menschen gar nicht wissen, ist, dass beispielsweise O-saft sehr reich an Polyphenolen ist. Besonders reich ist die Orange, vor allem in der Pulpe und in der Schale, an Hesperidin. Dieser Stoff gehört zur Polyphenol-Untergruppe der Flavonoide. Letztere wurden vom Vitamin-C-Entdecker Albert Szent-Györgyi in den 30er-Jahren zuerst beschrieben und Vitamin P getauft.

Was diese Flavonoide so besonders macht, ist, dass sie im Körper Enzyme hemmen. Das klingt zunächst mal ganz böse, aber der Mensch isst seit Millionen von Jahren Früchte und ist daran angepasst. Man spricht in diesem Zusammenhang dann immer von modulatorischer Wirkung. Einige werden diese Effekte von anderen Citrus-Flavonoiden kennen, z. B. von Naringenin, das hauptsächlich in der Grapefruit vorkommt.

Naringenin hemmt sehr potent Enzyme in der Leber, darunter auch Enzyme, die Medikamente abbauen. Dadurch verstärkt sich die Wirkung von Medikamenten nach Zufuhr von Naringenin ungemein. Der Grund, warum O-saft wach macht, ist allerdings ein anderer. Die Flavonoide im O-saft hemmen ein Enzym mit dem Namen Monoaminoxidase, kurz MAO.

Der eine oder andere kennt MAO vielleicht vom Arzt. So genannte MAO-Hemmer gibt man beispielsweise depressiven Menschen. MAO baut nämlich die für eine positive Stimmung verantwortlichen Neurotransmitter Serotonin, Noradrenalin und Dopamin ab. O-saft ist ein sehr potenter, natürlicher MAO-Hemmer und hebt dadurch auch die Konzentration unserer Stresshormone, z. B. Noradrenalin.

Das verstärkt die Wirkung – und wir fühlen uns wacher.

Natürlich haben wir jetzt mal nur ein Beispiel herausgegriffen. Die Sekundärstoffe von Pflanzen wirken extrem vielfältig im Körper. Unter normalen Bedingungen, sprich bei normalem Konsum haben sie eine sehr positive Wirkung auf den Organismus. Das ist auch ein Grund, warum eine reine „Fleischernährung“ in Form einer karnivoren Ernährung irgendwie viel zu kurz greift. Wie kann man die Medikamente der Natur einfach ignorieren?

Wie auch immer. Derjenige, der Kohlenhydrate und insbesondere Zucker hasst, wird daran natürlich keinen Spaß haben. Glücklicherweise sind diese oder ähnliche Stoffe auch in Gemüse enthalten. Wer seine Ernährung aber mit dem einen oder anderen Gläschen (O-)Saft ergänzt, wird eine gute Spritze an Nährstoffen und sekundären Pflanzenstoffen erhalten.

Das sollte man sich ggf. nicht entgehen lassen.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

15 comments On Warum O-saft wach macht

  • Das ist mal wieder ein äußerst intressanter Artikel, der die wissenschaftliche Begründung zu dem banalen aber auch in Gesundheitsfragen offenbar richtigen Grundsatz passt, dass man Extreme verneiden sollte, weil die Wahrheit oft auch in der Mittel liegt. Extrem wäre eben, jeglichen Fruchtsaft aus Angst vor dem bösen Zucker zu vermeiden.
    Zu der Enzymhemmung beim Abbau von Medikamenten möchte ich noch anmerken, dass Grapefruitsaft wohl auch und eventuell noch stärker diese Wirkung hat. Ich konnte das z.B. bei Blutdruckmitteln schon selbst feststellen. Aber da wird natürlich auch wieder vor gewarnt mit der Begründung, dass sich diese Wirkung sehr schlecht kontrollieren lasse. Außerdem soll Grapefruitsaft den Zahnschmelz angreifen. Bliebe natürlich der Konsum vop´n Grapefruitkapseln als Alternative.
    Viele Grüße
    Rainer

    • Ja korrekt, in Grapefruit sind besonders viele Pflanzenstoffe enthalten, die die Leber-Enzyme hemmen können, was Einfluss auf den Medikamentenabbau bzw. -Stoffwechsel hat.

  • Das klingt schlüssig, Chris. Da ich Fruchtsaft durchaus mag, wäre das wohl meine gangbare Alternative. (Low Carb interessiert mich nicht.) Ab und zu Obst kaufen und das entsaften. Probiere ich, danke für die Anregung!

  • @Ulli
    Danke für die Tipps. Ich behelfe mir schon so, dass ich TK-Beeren mit rein mixe, wenn ich mir einen Shake für vor oder nach dem Heben mache. Passiert aber nicht so oft.

    @Alexander
    Der Direktsaft aus der Tüte hat die beiden Nachteile, dass er abgekocht ist und filtriert. Ohne die Faseranteile gibt’s dann keine gebremste Verdauung, sondern die Leber bekommt die gesamte Fructose-Ladung auf einmal. Das gilt natürlich genauso für den selbstgepressten, weshalb gerade die konsequenten Paläo-Leute auch von Entsaftern und sowas abraten. („Kau Dein Essen.“)
    Ob man jetzt deswegen einen Bogen um den Tütensaft machen sollte oder nicht, müssen die Experten Dir sagen. Ich verkneif‘ mir den Saft inzwischen und bleibe bei Leitungswasser.

    • Ich finde, das ist komplett überbewertet. Und es macht auch aus „Paläo“-Sicht gar keinen Sinn… Nach der Logik dürfte man kein Kokoswasser trinken. Das ist genauso eine große Schwäche wie die Angst vor Stärke bzw. Glukose. Das ist einfach nicht haltbar. Ich versuche ja mehrfach im Blog klarzumachen, dass man Säfte nicht einfach mit Zuckerwasser vergleichen kann, aus verschiedenen Gründen. Z. B. weil die enthaltenen Sekundärstoffe den kompletten Energiestoffwechsel modulieren, Auswirkung auf das Darmmikrobiom haben und auch die Aufnahme von Fruktose verändern. Zellwände sieht man nicht, und das hat auch nichts mit der Pulpe (also den groben Fasern) zu tun. All das ist ein enormer Irrglaube – wer jetzt keine 2 Liter Saft am Tag trinkt, sollte unter isokalorischen Verhältnissen gar keine Nachteile erleben. Trotzdem darf man das natürlich sehen, wie man möchte – und klar, passt so eine Anschauung nicht zum Low-carb-Narrativ.

  • @ Alex
    Apfelsine auspressen, alle Faserstoffe mit rein ins Glas! Voila!
    @Chris: Gute Nachricht für alle, die Orangensaft lieben, ihn sich bislang aber wg. der Fructose verkniffen haben.

    • @Ulli. Das war nicht meine Frage…Ist mir schon klar selbstgepresst wird am Besten sein aber dann spar ich mir die Zeit und ess gleich die Orange. Mir geht es um den (Direkt)-Saft aus dem Supermarkt..

    • Ich würde nie und nimmer auf O-saft verzichten.

  • Leider ist O-Saft für Menschen wie mich mit Histaminintoleranz/MCAS schlecht verträglich. :(

    Ich kompensiere das mit Kirschsaft. Und dass Cola so „einschlägt“ ist ja gerade das Gute an ihr. Sie liefert Energie, die ich an manchen Tagen einfach brauche.

    • Genau. Das ist die nächste Stufe: Erkennen, wann „Western foods/drinks“ nicht nur nicht krank machen, sondern sogar helfen können. Siehe unseren Cola-Beitrag im Blog.

  • Der Artikel motiviert mich zu einer allgemeineren Frage zu Obst: Was ist, wenn man Obst nicht mag? Das begleitet mich schon mein ganzes Leben, ich weiß, dass Obst gesund ist, aber ich mag es einfach nicht.

    Wenn der Geschmack noch geht, ist es oft die Konsistenz, die dafür sorgt, dass ich Obst regelrecht herunterzwingen muss. Ansonsten esse ich buchstäblich alles, inklusive Salat und Gemüse jeglicher Art bis hin zu fritierten Insekten. Irgendwelcher Hemmungen oder Komplexe in Bezug auf Nahrung bin ch mir nicht bewusst.

    Am ehesten gehen noch Bananen. Oder Äpfel. Wobei mir ein halber oft schon zu viel wird.

    Was sollte jemand wie ich machen? Trotdem Obst essen, auch wenn mir mein Körper zu signalisieren scheint, dass er’s nicht will?

    • Ich würde sagen: kein Obst essen! Obst ist doch nicht essentiell! Du isst ja viel Gemüse, warum willst du Obst essen, wenns dir nicht schmeckt? Wo steht geschrieben, dass der Mensch krank wird, wenn er kein Obst isst?

    • Wenn er nicht will, dann will er nicht. Das hat dann sicher seine Gründe (vllt eine niedrige Expression von Fruktose-Transportern oÄ). :-)

  • Toller Artikel. Da schmecken mir meine frisch gepressten Säfte gleich noch besser.

  • Danke für den Artikel. Du schreibst: „Ist der Saft hierbei nicht allzu stark verarbeitet, ist zu erwarten, dass Teile des Zuckers noch immer teilweise von Zellwänden umgeben sind und er daher nicht wie eine gezuckerte Cola einschlägt.“

    Kannst du das mit „nicht allzu stark verarbeitet“ konkretisieren? Direktsäfte oder Orangensaft(konzentrat) mit Fruchtfleisch? (Wenn ich das richtig rechechiert habe sind sowohl Orangensaftkonzentrat als auch Direktsaft pasteurisiert.)

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