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Gliadin: Nach wie vor nicht verstanden

Es ist beinahe fahrlässig, dass viele Menschen, auch jene, die sich angeblich mit Ernährung befassen, Gliadin noch immer nicht verstehen.

Gliadin. Ein Weizenprotein, das Teil des Weizenglutens ist. Wer zur Einordnung erst einmal einen Kontext braucht, der möge bitte hier anfangen.

Weizenmast und moderne Erkrankungen

Mich verwundert immer und immer wieder, dass es wirklich Menschen gibt, die davon überzeugt sind, dass es aus gesundheitlicher Sicht total okay ist, Brötchen und Teilchen vom Bäcker zu essen.

  1. Das ist kein „Essen“. Das ist Stopfmittel. Eine aufkonzentrierte, vitamin- und spurenelementleere Kohlenhydrat- und Proteinmische.
  2. Es ist ein extrem konzentriertes, azelluläres Kohlenhydrat, von denen man doch weiß, dass sie das inhärente Potential haben, zur Stoffwechselentgleisung beizutragen. Wurde doch soeben erst wieder von der Uni Düsseldorf gezeigt.
  3. Die meisten Teilchen sind mit Zucker gemischt, oft in billigsten Pflanzenfetten (Transfette!) getränkt.

Das alleine wäre ja Grund genug für jeden Gesundheitsbewussten, diese eigenartige hiesige Mast zu reduzieren oder zumindest durch eine bessere Wahl (z. B. Hafer) zu ersetzen.

Jeder Mensch in der Wildbahn, jedes indigene Volk – die Tsimane aus Boliven grüßen an der Stelle sicher herzlich –, würden uns für diesen Fraß den Vogel zeigen.

Nur wir Deutschen, nur wir Modernen, verteidigen dieses eigenartige Grundnahrungsmittel als würde unser Leben davon abhängen. Klar: Was wäre der Nachmittag ohne Kaffee und Teilchen. Versteht man.

Zeitgleich sind wir – im Gegensatz zu diesen Naturvölkern – aber auch jene, die zeitlebens unter völlig überflüssigen Erkrankungen leiden und später von ihnen dahin gerafft werden.

  • Arteriosklerose – beginnt schon ab Ende 20.
  • Neurodegeneration – wird viele von uns im Alter betreffen, manche früher, andere später.
  • Krebs – trifft statistisch betrachtet jeden Zweiten von uns irgendwann im Leben.
  • Stoffwechselanomalien (Insulinresistenz und Co.) – schätzungsweise 15 bis knapp 50 % der Menschen weltweit sind betroffen, insbesondere wir hier im Westen. Unfassbare Zahlen!
Insulinresistenz bei jungen Menschen
Die Prävalenz von Insulinresistenz ist erschreckend hoch, schon bei jungen (westlichen) Erwachsenen, unabhängig davon, ob sie übergewichtig sind! (Quelle

Wohlgemerkt:

  • Wir sprechen noch nicht von Allergien, Entzündungen und sonstigen Entgleisungen des Immunsystems.
  • Wir sprechen noch nicht von davon abgeleiteten Autoimmunitäten jeglicher Art.
  • Wir sprechen auch noch nicht über chronische Lungenerkrankungen unbekannter Ursache.
  • Wir sprechen an der Stelle auch noch nicht über Darmdysbiosen, die derzeit immer stärker ins Zentrum der Forschung rücken und beispielsweise mit Parkinson assoziiert sind.
  • Wir sprechen auch noch nicht von psychischen Erkrankungen und Vorstufen (z. B. „depressive Verstimmungen“) jeder Art, die lt. Havardforscher Dr. Chris Palmer „untrennbar“ mit der Stoffwechselgesundheit verknüpft sind.

All das sind s. g. Zivilisationserkrankungen oder zumindest damit assoziierte Erkrankungen, die zu weiten Teilen lebensstilabhängig sind – engl. Diseases of affluence oder Non-communicable disease. Was versteht man daran nicht? Ach ja …

  • Wir sprechen nicht mal von körperlicher Höchstleistung im Sport oder im Alltag (Kopfarbeit, Eltern-sein uva.)!

Und obwohl es so offensichtlich ist, scheint für uns das Gegenteil völlig selbstverständlich: In 99,7 % unserer Entwicklungszeit waren Süßgräser – also Getreide – in unserer Ernährung höchstens so etwas wie die Prise Salz in der Suppe.

Deshalb lassen sich moderne Erkrankungen – wie im folgenden dargelegt – mit der Mismatch-Theorie erklären: Wie ein Pinguin, den man in die Wüste statt ins Meer setzt, leben auch wir modernen Menschen in einem für unser Genom nach wie vor relativ fremdem Umfeld.

Ein Blick zu den „wilden Verwandten“

PA Neolithikum Transition Karies
Mit dem Neolithikum kam das Getreide und mit dem Getreide kam die schlechte Zahn- und Mundgesundheit. (Quelle

Der beste Marker für die Antwort auf die Frage, wie hoch der Getreideanteil der Nahrung war, ist das Kariesaufkommen bei unseren Vorfahren. Der Übergang vom Paläo- und Mesolithikum („Jäger und Sammler“) zum Neolithikum („Ackerbauer“) – in weiten Teilen Europas erst ca. 5000 v. Chr. – zeigt bis hin zur Neuzeit eine extreme Zunahme des Kariesaufkommens. (vgl., vgl.)

In der Vergangenheit korrelierte eine starke Zunahme der Zahnkaries in erheblichem Maße mit grundlegenden Veränderungen der menschlichen Subsistenzstrategien und der Ernährung (…)

Insbesondere der Anbau verschiedener Getreidearten stellte eine leicht verfügbare und damit sichere Nahrungsquelle dar. (…)

Wann immer die Nahrung relativ getreidearm und strukturell härter war, finden Forscher sehr viel weniger Karies – selbst noch bei Kindern in der Bronzezeit, die eine erstaunlich niedrige Kariesprävalenz aufweisen, wenn sie folgendermaßen essen:

Die Kinder von Franzhausen I verzehrten gröbere Kost (…) Mahlzeiten wie Gemüse-, Linsen- und Fleischbrühen und -eintöpfe, wobei vor allem die älteren Kinder regelmäßig vielflächige Nahrungsmittel wie getrocknete Lebensmittel, Fleisch, Haselnüsse, Kastanien, Eicheln und wahrscheinlich härtere Nahrungsmittel wie wildes Wurzelgemüse zu sich nahmen.

Aus diesem Grund lässt sich relativ einfach nachvollziehen, wie hoch der Getreideanteil der Nahrung bei unseren Vorfahren war und zu welchen Zeitpunkten der Getreideanteil in der Nahrung sprunghaft ansteigt: Sehr, sehr lange Zeit wenig bis zero, dann mächtig.

Noch heute essen die meisten indigenen Völker wenig bis kein (raffiniertes) Getreide. Dafür muss man nicht mal die Zähne untersuchen, es reicht glücklicherweise ein Blick auf den Speiseplan vor Ort, der bei vielen dieser Völker sehr gut beschrieben ist.

Apropos indigene Völker: Das Volk der Wahl für das Studium dieser Populationen sind die Tsimane vom bolivianischen Urwald. Die haben bewiesenermaßen…

Übrigens obwohl diese Menschen viele Kohlenhydrate essen! Aber eben keinen Pizzateig und keinen Berliner. Ähnliche Erkenntnisse gab’s vom berühmten Staffan Lindeberg, der jahrelang die Menschen auf Kitava untersucht hat:

  • niedriges Insulin
  • niedriger BMI
  • niedriger Blutdruck
  • keine Stoffwechselanomalien
  • Zitat: Kaum Zeichen moderner Zivilisationserkrankungen

Auf der Insel Kitava, Trobriand-Inseln, Papua-Neuguinea, wird noch immer ein von westlichen Ernährungsgewohnheiten unbeeinflusster Lebensstil gepflegt. Knollen, Früchte, Fisch und Kokosnuss sind die Grundnahrungsmittel (…)

Schlaganfälle und Herzkreislauferkrankungen scheinen in dieser Bevölkerung nicht aufzutreten.

Kohlenhydratquelle: Früchte und Knollen. Das gilt natürlich auch für Aborigines, für die Hadza, für die Massai und wie sie alle heißen. Die alle essen wenig bis kein Getreide – bis auf wenige Ausnahmen übrigens auch keine Milchprodukte.

Bei uns wird all das dagegen immer seltener. Bei uns sterben die meisten Menschen an Erkrankungen, die es in solchen Gesellschaften offenbar sehr viel seltener oder gar nicht gibt. 

Natürlich glauben findige Forscher bei uns nach wie vor an den maßlosen Europäer, der abends ne Tüte Chips zu viel frisst, sich sonst wenig bewegt und dann irgendwann halt deppert wird. Oder so.

Bei vielen Menschen hängen solche Mantras so tief, dass sie sich ein Leben lang durch den täglichen Hunger quälen – freilich mit Butterbrot –, weil sie nie verstanden haben oder lernen durften, dass es vielleicht eine Ernährung gibt, an der man sich satt essen darf und … gesund bleibt.

Das beste Beispiel dafür waren die Zoo-Gorillas in Cleveland. Übergewichtige, kranke Tiere, die man doch so fürsorglich mit durchdachten Rezepturen (stärkereiche Pellets) gefüttert hatte. Das sind wir.

„Wir glauben, dass viele an Herzkrankheiten sterben, genau wie Menschen“, sagt Elena Hoellein Less, Doktorandin der Biologie an der Case Western Reserve University.

Die Tiere wurden erst gesund als sie ihr natürliches Essen (Blätter usw.) bekamen: Die aßen doppelt so viele Kalorien, verloren aber 30 kg Körpergewicht und wogen dann so viel wie ihre „wilden Verwandten“. Stoffwechselgesund und nachher eher keine Herzkrankheiten – und sehr sicher gesunde Zähne.

Wilder leben heißt gesünder leben

Die Erfahrung zeigt, dass es für uns moderne Menschen extrem schwer ist, auch nur mal darüber nachzudenken, ob auch wir essen und gesund sein könnten wie unsere „wilden Verwandten“.

Selbst dafür gibt es hinreichende Belege: Wann immer du „wilde Verwandte“ aus der Natur in eine Stadt setzt, werden die genauso krank wie wir. Vielleicht sogar noch schneller. Bestens dokumentiert z. B. an den o. g. Tsimane (vgl.) oder an Aborigines (O’Dea et al. 1980).

Übrigens von einer Gebietskoryphäe, Prof. Kerin O’Dea – kann man auch mal googeln.

Umgekehrt lassen sich diese Anomalien korrigieren, wenn man diese Aborigines in ihr natürliches Habitat zurücksetzt (O’Dea, 1984). Scheint für jeden von uns zu funktionieren, s. „The Study of Origin“ von Leo Pruimboom.

An der Stelle hatte Prof. Loren Cordain doch Pionierarbeit geleistet. Arbeiten, wie die, die er vor bald 20 Jahren publizierte, gibt es so heute gar nicht mehr. Die Leidenschaft und der Aufwand, der in solchen deskriptiven Arbeiten steckt, findet man heute kaum noch.

Der hat schon 1999 einen sehr interessanten Aufsatz mit dem vielsagenden Titel „Cereal Grains: Humanity’s Double-Edged Sword“ (Getreide: Das zweischneidige Schwert der Menschheit) verfasst.

Dort legte er dar, dass Getreide die Driving-force hinter „komplexen kulturellen und technologischen Innovationen“ war, wir aber so schlecht daran adaptiert seien, dass „viele Menschen auf der Welt an Krankheiten und Funktionsstörungen, die direkt auf den Verzehr dieser Nahrungsmittel zurückzuführen sind“, leiden.

Heute heißt es nur spöttisch: „Das ist doch der Typ, der die Paleo Diet erfunden hat.“ Und ohne auch nur eine Arbeit von ihm gelesen zu haben, wissen diese Leute, dass die s. g. Paleo Diet nichts taugt. Die Prinzipien, die Ideen dahinter nicht verstanden.

Immerhin wird Autoimmunbereich von vielen Menschen mit dem Template gearbeitet. Dort erhält es viel Wertschätzung – die Remission der MS von Terry Wahls und das Paleo-AIP sind bemerkenswerte Beispiele dafür. Klar, wenn man (chronisch) krank wird, denkt man plötzlich … so anders.

Es ist eine strukturierte Ernährung, die auf Zellgesundheit zielt. Kein Gluten, keine Milchprodukte, kein industriell hergestelltes Essen, stattdessen neun Tassen frisches, buntes Gemüse, Obst und Salat am Tag, dazu ausreichend Protein, inklusive Innereien.

Getreide ist ein blinder Fleck

Heutzutage ist alles hoch akademisiert, technokratisiert, verklausuliert mit wichtigen Formeln, mit „Mendelscher Randomisierung“ und hochwertigster Epidemiologie. Und irrwitzigerweise sind wir ja doch kein Schritt weiter.

Das weiß ich deshalb, weil ich seit über 15 Jahren täglich Studien aus den besten Fachmagazinen der Welt lese. Seit über 10 Jahren ist mein morgendliches Ritual mich durch die besten Studien im Bereich Ernährung und Stoffwechsel zu lesen – oft bei Sciencedaily veröffentlicht.

Und mittlerweile weiß ich auch sehr genau, dass der Mensch viel tut, um bloß nicht an den Kern der Wahrheit zu kommen. Denn der tut oft weh, ist schlecht vermittelbar und schmeckt – im wahrsten Sinne des Wortes – eben nicht so gut wie Kaffee und Bäckerteilchen.

Das ist übrigens auch der Grund, warum es so viele tolle Studien über die positiven Effekte von Kaffee gibt. Schon mal aufgefallen? Kein Wissenschaftler hält den Alltag im Labor ohne Kaffee aus. Weiß ich, ich war doch dort lange genug!

Niemals würde sich ein Wissenschaftler seiner Lebens- und Denkgrundlage berauben. Jeder seriöse Arbeiter im Labor braucht mehr als genug schwarzes Gold im Tank!

Ich jedenfalls würde auch nie auf die Idee kommen, darüber zu forschen, warum Kaffee scheiße für mich ist. Die Leute mit weißem Kittel im Labor sind auch nur (oft relativ arme Würstch… äh…) Menschen.

Abschließend nochmal zum Thema zurück. Viele Wissenschaftler interessieren sich für den Kohlenhydratanteil der Nahrung. Zurecht. Interessieren sich für Salami. Für die Linsen. Für Cholesterin. Für gesättigtes Fett. Für alles mögliche.

Nur eben nicht für den tollen weißen Teig, der so viel Spaß im Leben macht. Daher muss schon viel passieren, dass sich jemand ernsthaft mit der Getreidemast in unserer Ernährung befasst.

Fasano: „Gliadin ist für jeden ein Gift“

So einer war und ist Dr. Alessio Fasano. Solche Namen muss man sich einfach mal merken, weil das Gebietskoryphäen sind. Genau wie Michael Holick bei Vitamin D. Leslie M. Klevay bei Kupfer. Ananda Prasad bei Zink. Bruce Ames bei Nährstoffen und Toxikologie. Und viele andere. Wer sie nicht kennt, einfach googeln.

Fasano gilt weltweit als Experte und Pionierforscher auf dem Gebiet der Zöliakie und der bakteriellen Pathogenese. (…)

Er gehörte zu den 1 % der weltweit am häufigsten zitierten Wissenschaftler auf der jährlichen Liste der Web of Science Group mit den am häufigsten zitierten Forschern.

Das sind also nicht die wichtigtuenden Instagram-Influencer, die diese Namen noch nie gehört haben, die ihre Arbeiten noch nie gelesen haben, aber natürlich „so viel“ über Ernährung wissen!

Bei wem soll man sich Wissen aneignen, wenn nicht bei den renommiertesten Forschern auf dem jeweiligen Gebiet? Also Alessio Fasano. Der sagt doch hier in diesem Video klipp und klar, mehr als deutlich:

  • Niemand kann Gliadin ordentlich verdauen.
  • Gliadin ist für jeden ein Gift.
  • Gliadin öffnet bei jedem – transient – die Darmbarriere.
  • Gliadin wirkt auf jedes Immunsystem wie ein Bakterium oder Pathogen.

Natürlich spricht er am Ende versöhnliche, milde Worte: „Die meisten Menschen kommen immunologisch schon damit klar.“

Weil auch er weiß, was es bedeuten würde, wenn er sagen würde, dass der beste Ratschlag für die Gesundheit der meisten Menschen wohl wäre, darauf zu verzichten. Als Italiener ohnehin schwer vermittelbar.

Aber auch er schließt nicht aus, dass die heutige Exposition gegenüber modernen Getreidevarianten, moderner Verarbeitung (kaum Sauerteige etc.) und hoher Gliadinmenge ein wichtiger Faktor bei modernen Erkrankungen ist.

Was die meisten Menschen nicht wissen: Fasano hat viele weitere Arbeiten publiziert, nicht nur zu Gliadin, sondern eben auch zu den gesundheitlichen Folgen einer erhöhten intestinalen Permeabilität, in der Laiensprache: Leaky gut.

Titel einer Arbeit:

Alle Krankheiten beginnen im (undichten) Darm: Rolle der Zonulin-vermittelten Darmdurchlässigkeit bei der Entstehung einiger chronischer Entzündungskrankheiten

Und dann zählt er auf, A-Z, Alterung über Colitis, Insulinresistenz bis hin zu Multiple Sklerose, alle sind assoziiert mit ebendiesem Phänomen – intestinale Permeabilität.

Weiter oben steht ein, vielleicht der wichtigste Grund in der Nahrung: Gliadin. Er selbst kenne kein Protein, das eine vergleichsweise Öffnung der Darmbarriere induziert. Ist das nicht genugsagend?Gliadin ist vielleicht nicht der Hauptgrund, aber möglicherweise eine sehr wichtige Triebfeder.

Denn Gliadin induziert bei jedem zuverlässig eine (lokale? systemische?) Zonulinausschüttung. Zonulin, so Fasano, sei der einzige, heute beschriebene „Schalter“, der direkt die Barrieren des Darms lockert und so für eine Permeabilität sorgt. Jede Pasta, jedes Brötchen macht also – transient – den Darm leaky. Funktioniert wie ein Lichtschalter – an/aus.

Zonulin könnte darüber hinaus direkt involviert sein beim Öffnen der Bluthirnschranke (vgl.), obwohl aktuelle Forschungen nahelegen, dass eher die erhöhte intestinale Permeablität an sich die Assoziation von Zonulin mit neurologischen Erkrankungen erklärt – Stichwort Darm-Hirn-AchseLeaky gut, leaky brain?

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Gliadin oder Pathogene wie Bakterien induzieren eine intestinale Zonulin-Ausschüttung, die die Verbindung zwischen Darmzellen temporär lockert und dadurch die intestinale Permeabilität erhöht. (Quelle

Gliadinpeptide gehören nicht in den Körper!

All diese Punkte, also z. B. die Tatsache, dass wir eben nicht über die passenden Enzyme im Darm verfügen, um Gliadin vollständig und schnell zu zerlegen, zeigen doch mehr als genug an, dass Weizen eben kein ideales Lebensmittel für den Menschen ist und es vermutlich eher keine gute Idee ist, es den ganzen Tag zu essen.

Wer zur Hölle würde ein Nahrungsmittel als Grundnahrungsmittel verzehren, das er nicht optimal verdaut, das genau deshalb u. a. Störungen im Darm und im Immunsystem provoziert und das am Ende des Tages dadurch möglicherweise systemische Störungen hervorruft?

Natürlich kann man hier einen Punkt machen. Ja gut, dann wird Gliadin halt nicht ordentlich verdaut. Macht vielleicht die Darmbarriere etwas „löchriger“ und füttert die falsche Bakterien im Darm (Dysbiose). Watt solls.

In Wahrheit zirkulieren diese Peptide, die ja dann dank der transienten Öffnung der Darmbarriere auch noch viel besser ins Blut gelangen, viel zu lange im Blut herum.

Was machen diese zu großen, nicht ordentlich verdauten Peptide da im Blut? Darüber haben sehr sicher nur die allerwenigsten Menschen nachgedacht.

  • Die reichern sich z. B. in Geweben an und machen Entzündungen. (vgl.)
  • Sie stimulieren z. B. die Insulinausschüttung. (vgl.)
  • Sie verdrängen vielleicht Leptin vom Leptinrezeptor. (vgl.)

Reicht das nicht, um zu verstehen, dass die Peptide da nicht hingehören? Natürlich werden diese Peptide mit einer großen Zahl an Rezeptoren im Körper wechselwirken und alle möglichen Tasten drücken, die eigentlich nicht gedrückt werden sollten.

Dummerweise sind Gliadinpeptide von ihrer Sequenz vielen Körperproteinen so ähnlich, dass es bei einer Antikörperbildung auch zu Kreuzreaktivitäten gegenüber Körperstrukturen kommt (vgl.). In Markus-Rühl-Sprache: Wie viele Argumente bedarf’s?

Wohlgemerkt: Viele Menschen verstehen nicht, dass das ein Spektrum ist. Es gibt für die meisten von uns eben kein „hast du“ oder „hast du nicht“ – sowas kann sehr subtil passieren oder enorm ausgeprägt. Wer oder was soll das am Ende des Tages herausfinden?

Die hohe Immunogenität von Gliadin über fast seine gesamte Länge lässt vermuten, dass durch die Präsentation verschiedener Antigene in unterschiedlichen Zell- und Gewebekompartimenten mehrere Antikörper gebildet werden könnten.

(…) Die Homologie mit wichtigen, mit der Schizophrenie verwandten Proteinen, die oft viele Regionen des Gliadins abdecken, ist auffallend und legt nahe, dass Gliadin-Antikörper auch gegen diese menschlichen Proteine gerichtet sein könnten.

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Trifft eine anfällige Genetik auf Gliadin, kann es zu Antikörperbildungen kommen, die mit körpereigenem Gewebe, auch im Gehirn, kreuzreagieren und dadurch Funktionen einschränken. (Quelle

Essen ist viel Psychologie und Emotion

Das Deprimierende an dem „Hobby“, das ich hier habe, ist zu wissen, dass solche Aussagen nur auf wenig Gegenliebe stoßen. Die sind zu rebellisch und für die meisten zu weit weg. Bei vielen lösen diese Ausführungen aber auch eine Abwehrhaltung aus, weil man ihnen ihre Brötchen wegnehmen will.

Daher kann man sich Anfeindungen sicher sein. Und das ist mir zu doof, weil zu anstrengend. Man kann es nur immer wiederholen und die Inhalte mit der Datenlage wachsen lassen.

Fest steht:

  • Es ist äußerst fraglich, ob Menschen überhaupt die (gesundheitliche) Tragweite ihres Ernährungsverhaltens, insbesondere der hiesigen Weizenmast verstehen.
  • Es ist äußert fraglich, ob sie überhaupt gewillt sind, auch dann daran zu arbeiten, wenn sie noch nicht mit Herzinfarkt im Krankenhaus liegen.

Ernährungswissenschaft hat sehr viel mit emotionalen und psychologischen Aspekten zu tun. Der Mensch geht gerne und meistens den leichtesten Weg. Der Verzicht auf Brot, Kaffee, Kaffee, Zucker und/oder Milchprodukte gehört für viele eher zur Sorte Wanderskala T3 aufwärts.

Ach so! Opium fürs Volk. Da war was. Solange die Leute genau diese oben genannten psychoaktiven Faktoren in ihrer Nahrung haben, sind sie zufrieden. Daher lächeln Leute bei Ernährungsumstellungen immer so lange, bis man ihnen den Kaffee wegnimmt.

Ich denke, der Mensch hat über die Jahrzehnte und Jahrhunderte – mit immer stärkerem Zugang zu solchen Nahrungsbestandteilen – etwas verlernt: Nicht das, was das Hirn berauscht, ist gesund, sondern das, was gesund hält, ist gesund. 

Lernen viele, viele Menschen, wenn sie mal ihren Kaffeekonsum reduzieren. Gilt sowieso für Zigaretten. Gilt auch für Zucker in der Cola. Gilt für manche Menschen auch für Milchprodukte. Und gilt, wie hier dargelegt, am ehesten und sicher auch für Gliadin und Weizen.

Am Ende bleibt: Einfach mal machen

Bei uns im Südwesten Deutschlands würde man sagen: Ausprowiere koschd nix. Statt immer nur zu reden und zu posten und dummes Zeug zu erzählen und die Masse noch weiter zu verblöden, könnte man doch einfach mal ausprobieren.

Trifft auch z. B. auf Vitamin D zu. Man kann sich viele Geschichten darüber ausdenken. Wer aber mit 1000-2000 IE im Winter dosiert und lernt und versteht, dass es der Seele und dem Immunsystem guttut, der wird doch keine schludrigen ZDF-Posts mehr produzieren oder irgendeiner schlecht gemachten Epidemiologie glauben.

Genau deshalb weiß ich um die Bedeutung von Gliadin. Weil ich es selbst erfahren habe und nach bald über einem Jahrzehnt Leser- und Menschenkontakt weiß, dass viele, vielleicht die meisten Menschen gleichermaßen von einer Reduktion profitieren.

„Nothing in Biology Makes Sense Except in the Light of Evolution“, ist das einzige Credo, das einen Ausweg aus den Irrgärten der modernen Ernährungswissenschaft und der persönlichen Ernährungsplanung bieten kann.

Doch dafür muss man, freilich, erst einmal verstehen und akzeptieren, dass Getreide – in erster Linie aber die hochverarbeitete Pampe, die sich Teig nennt – evolutiv neu ist und auf der „Uhr der Entwicklung des Menschen“ bis vor 10 Sekunden eben nicht Hauptbestandteil einer menschlichen Ernährung war.

Warum ist das so schwer zu begreifen?

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

28 comments On Gliadin: Nach wie vor nicht verstanden

  • Hallo Chris,
    toller Artikel! Ich verzichte schon seit längerer Zeit auf Weizen, Roggen, Dinkel, Kuhmilch u. verarbeitete Lebensmittel. Schwer fällt es mir allerdings, auf Haferflocken, Hirse und Reis zu verzichten.
    Wenn du von „getreidefrei“ sprichst – ist da Pseudogetreide (Amaranth, Buchweizen u. Quinoa) mit inbegriffen oder kann man das „bedenkenlos“ (in Maßen versteht sich ;)) essen? Geht mir aus dem Beitrag noch nicht ganz hervor.
    VG
    Nina

    • Hi Nina,
      danke… Du weißt ja, ich bin kein Guru. Ich würde mal sagen, der Verzicht auf raffiniertes Getreide + Haushaltszucker ist ein großer Hebel, genauso wie den Bulk an Milchprodukten erst mal zu streichen. Wenn du gerne ein paar Haferflocken hast, beim Thai die Schüssel Reis isst oder zum Frühstück Amaranth, dann wäre ich vermutlich d’accord damit. Aber siehe meinen ersten Satz :P
      Wenn du weiterhin gesundheitliche Probleme oder irgendwelche Störungsbilder hast, dann probier doch mal ein paar Tage (aber langsam herantasten!) komplett ohne (Pseudo-)Getreide. Wenns dir aber schon fabelhaft so geht, dann spricht doch nix gegen ein paar unraffinierte Körner vom Pseudogetreide etc.
      LG

  • Hallo Chris,
    sind Dir Daten bekannt, wie gut oder schlecht Gluten-Proteine (und ATI) im Bier verträglich sind? Ich frage, weil ja häufig gesagt wird, dass Fermentation die Sache (teils deutlich?) verbessert und Bier entsteht ja durch Hefe-Gärung. Zudem ist das Getreide vorher gekeimt und geröstet worden. Gibt es hier Unteschiede in den Varianten? Ich zähle mal auf: Pils (Bier aus Gerste), Weizenbier, filtriert oder mit Hefe, alkoholfrei oder alkohlhaltig, Bierhefe als Nahrungsergänzungsmittel.
    Ich weiß, dass Zöliakie-Betroffene üblicherweise Bier meiden. Allerdings wage ich nicht, daraus den Schluss zu ziehen, das Zeug zu verteufeln.

    • Also Gluten bzw. Weizenproteine kommen in Bier nur noch in sehr, sehr geringen Mengen vor und sind oft so niedrig, dass es auch von Zöliakiebetroffenen konsumiert werden kann. Bier halte ich für relativ harmlos. Auch aus eigener Erfahrung, haha.

      • Super, danke! Ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, nur weil mein heutiger Kasten schon halb leer ist. ;-)

  • Ich hab schon vor 11 Jahren auf getreidefrei umgestellt (bin dennoch übergewichtig, Zucker ist mein Suchtmittel …).
    Da habe ich schon alle denkbaren Reaktionen meiner Mitmenschen erlebt. „Ich würde ALLES, ALLES tun, um meine Migräne loszuwerden!“ – „Du, ich hatte früher auch Migräne, bis ich meine Ernährung umgestellt habe.“ Bis hierher noch Interesse. Sobald ich sage, dass ich kein Getreide mehr esse, wird aus „ALLES!“ ein „Au, also ohne Brot, das geht nicht.“ In 1 Minute von Hero zu Zero.

    Mit Kollegen, Verwandten, Freunden hundertfach geführtes Gespräch. Bis zum Kaffee kamen wir gar nicht, hihi.

    War vorletzten Monat zum ersten Mal im Leben im Krankenhaus. War noch helle genug, „glutenfrei“ zu bestellen. Morgens Brot, mittags Nudeln (hab mir dann Kartoffeln erkämpft), abends Brot :-( Anschließend Reha. Nach 31 Tagen Antibiose fragte ich den Arzt, wo denn die Fermente seien, auf die ich naiverweise gehofft hatte. Da war er total überfordert. Die Küchenchefin rief mich dann an und bügelte mich ab. Auch dort: ALLE (ich hab den Speiseplanaushang mit Allergen-Angaben genau studiert) Mittagsmahlzeiten mit Gluten. Und morgens und abends Brot. Als ich fragte, wie es denn zum Frühstück mit Gemüse aussähe, kam der Vorschlag, ich könnte ja die Gemüsegarnitur der Käse- und Wurstplatten essen. (Wirklich wahr. Im Jahr 2023 in einer deutschen Reha-Klinik.)

  • Hallo, ich wollte mal bzgl Getreide berichten: seit ca 2 Wochen verzichte ich auf Getreide UND Milchprodukte(außer auf 1-2 Mal in der Woche Hafer) in jeder Form (Nudeln, Brot – Pizza und anderen unmöglichen Kram habe ich nicht gegessen). Ich habe Nudeln etwa 1x in der Woche gegessen und Roggenbrötchen (vom Biobäcker, ohne Hefe – nur Sauerteig, Wasser, Salz) am Sonntag (1), manchmal am Samstag (1). Das war nicht viel. Das war ein kalter Entzug, muss ich sagen. Nach einer Woche: Gelenkschmerzen, Migräne, Gereiztheit, Schlappheit, Müdigkeit und das Schlimmste: mein Körper schrie nach Brötchen!! Und nach Buttermilch! Echt krass! Zum Glück hat es nach 1 Woche nachgelassen. Mein Bauch ist geschrumpft (der war aber eh nicht wirklich erwähnenswert) . Merkwürdig ist, dass es so extrem war, obwohl ich diese Lebensmittel in Maßen und sonst nur unverarbeitete Lebensmittel und kein Industriezucker konsumiert habe. Ich denke, da bin ich jetzt durch und konsequent. Nächstes Problem: Kaffee, dieser ist schon auf eine halbe Tasse morgens reduziert. Vor mehr graut mir momentan noch wegen der Migräne. Hatte ich schon mal im Kaffeeblog geschrieben. Eins nach dem anderen. Viele Grüße und nur Mut!

  • Lieber Chris, ich lese gerade verschiedene Themen in deinem Blog nach. Dass Weißmehl jeder Art und jeglicher Weizen nicht ratsam sind, steht außer Frage. Verstehe ich richtig, dass auch Speisen aus dem vollen, unerhitzten Korn (z.B. frisch gewalzte Haferflocken oder Frischkornbrei aus Dinkel oder Roggen) keine gute Wahl sind aufgrund des – mehr oder weniger hohen – Glutengehalts, der Enzyminhibitoren, der Phytinsäure und der fehlenden genetischen Anpassung?

    • Hi Caterina,
      genau. Ich erachte kein Getreide, egal in welcher Form, als ideales Nahrungsmittel für Menschen. Sicher sind z. B. Haferflocken in Maßen absolut okay und gesund. Aber die wenigsten würden das den ganzen Tag in verschiedenen Formen essen. Wer Getreide also z. B. in Form eines Haferporridges im Kontext einer guten, gemischten Ernährung auch mit Fleisch isst, absolut fine. Dann spielen auch Themen wie Enzyminhibitoren etc. eher keine Rolle.
      Beste Grüße
      Chris

  • Genau so, Chris! Auch wenn es zu dieser Thematik allein von dir schon gefühlt ein Dutzend Leitartikel gibt, es muss weiterhin eingehämmert werden, und sei es nur um unseres eigenen Gewissens willen, gar nicht mehr hoffend, dass diese Süchtigen zur freiwilligen Erkenntnis-basierten Umkehr gelangen. Allein die Namen der Forschenden zu dem Thema bekannt machen bringt schon viel.

  • Hallo Chris,
    Vielen Dank für die deutlichen Worte. Es ist sicherlich ein Großteil Bequemlichkeit, die Anforderungen des eigenen Körpers zu missachten. Man versucht ja immer erst, die aufkommenden Probleme durch Nahrungsergänzungsmittel zu kompensieren, statt das Problem an der Wurzel anzugehen.
    Wie sind denn glutenfreie Produkte wie Brot, Brötchen oder Müsli zu sehen? Handelt es sich hier um eine Alternative zumindest gelegentlich für den Übergang oder eher um ein weiteres, inhaltloses Industrieprodukt?
    Viele Grüße
    Michael

  • Klasse Artikel, Chris. Danke

  • Steter Tropfen höhlt den Stein.
    Ich finde es klasse, dass Du nicht müde wirst, dieses Thema den Leuten immer wieder vor Augen zu halten.
    Sicher ist es nicht einfach, seine Ernährung umzustellen hin zu natürlich und gesund. Dies aber weniger wegen der dann zur Verfügung stehenden Auswahl an Nahrungsmitteln, sondern eher wegen der Einflüsse von außen. Bis man sich an die argwöhnischen Blicke und Argumente der Mitmenschen gewöhnt hat, dauert es schon bissel – zumindest war es bei mir so. Wenn man dann konsequent bleibt, merkt man erstmal, wie allgegenwärtig Getreide- und Milchprodukte im Alltag sind. Zum Besispiel, wenn man mal ein Restaurant besucht.

    off topic: In den Fokus der Forchung rücken zunehmend andere Beschwerden verursachende Proteine im Getreide. Besonders für die Krankheitsaktivität bei Autoimmunerkrankungen spielen diese eine Rolle. Prof. Dr. Dr. Schuppan in Mainz (Entdecker des Autoantigens bei Zöliakie) leistet hier wegweisende Arbeit. Wäre vielleicht auch mal einen Blogartikel wert. ;-)

  • Hallo Chris,

    natürlich ein sehr guter Artikel, dem ich auch gar nicht widersprechen könnte.

    Aber was ist mit den Mittelmeeranraineren, die seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden von Weizenprodukten leben ? Macht es einen Unterschied, ob sie Weizenprodukte kochen ( Spaghetti und andere pasti ) oder backen ? Oder haben sich die Mittelmeeranrainer im Laufe der Jahrtausende genetisch angepasst ? Denn ausser gekochten Teigprodukten gibt es dort als gebackene Mehlerzeugnisse fast nur Weissbrot ?
    Mir fällt diese Frage halt immer ein, wenn von den positiven Wirkungen der mediterranen Ernährung ( die ich gar nicht anzweifeln möchte ) erzählt wird. Ich schätze die italienische Küche.
    Ich wäre wirklich froh, wenn mir jemand noch zu meinen Lebzeiten ( die vor mir liegenden Strecke wird täglich kürzer ) diesen Fragenkomplex beantworten könnte.

    LG, Albrecht ( 28.03.2023 )

    • Die s. g. mediterrane Ernährung gibt es im realen Leben nicht. Das wird heute von der Wissenschaft genutzt, um sozusagen nen Begriff dafür zu haben, was man meint, wenn man „viele komplexe Kohlenhydrate, weißes Fleisch und Fisch, und gute Öle“ als Ernährungsform beschreiben will. Die Realität sieht bekanntermaßen anders aus.

      Allgemein gibt es Elemente im mediterranen Bereich, die besser sind als bei uns. Übrigens auch bei den Asiaten. Mehr Gemüse, mehr Polyphenole (Vino), gute Milchprodukte, mehr Fisch, mehr Olivenöl. Asiaten essen zB morgens schon mal ne Sommerrolle (Salat, Kräuter, hochwertiges Protein, wenig fett usw.) während wir Deutsche halt n Marmeladenbrot reindrücken.

      Es gibt aber auch eine Vielzahl an anderen Einflüssen: mehr Familie, mehr Genuss beim Essen, mehr Vitamin D/Sonne/Meer.

      Allgemein schneiden Italiener mit Blick auf unsere Erkrankungen aber nicht wesentlich besser ab. Insofern erübrigen sich diese theoretischen Gedanken. Weizenmast ist für niemanden gut.

      (Über genetische Unterschiede gibt es hier im Blog viele Artikel!)

  • Moin Chris, alle Studien zu Gluten beziehen sich auf das Gliadin. Wie steht es um die Gutene der anderen Getreide, z.B. dem Hafergluten Avenin? Bei einer Zöliakie reagiert man auf alle Glutene, wie sieht es beim gesunden Menschen aus? Sind diese Glutene unbedenklich, oder nur nicht ganz so bedenklich?
    Hinzu kommt sicher auch die Menge. So enthält Roggen deutlich weniger davon und reduziert sich bei Sauerteig noch einmal deutlich.
    Gibt es eigentlich zum Gluten ausschliesslich Studien zu Gliadin, oder mit anderen Worten, alle Aussagen zu Gluten betreffen lediglich das Gliadin?

    • Das Thema ist sehr komplex, ich habe versucht, die wichtigsten Punkte im Beitrag zusammenzufassen. Die „Weizenmast“ habe ich hier stellvertretend ausgeführt, weil es uns ohne Teig, ohne in Fette getränkte und gezuckerte Teige vom Bäcker, gar nicht gelingen würde, so viel davon zu essen, es wäre kein Grundnahrungsmittel. Selbst ein Hafer ist ein ganzes Korn und selbst Reis ist auch im verarbeiteten Zustand noch ein halbwegs ganzes Korn. Und ja, wie im vorigen Beitrag dazu ausgeführt (s. Verlinkung in der Einleitung), gibt es Grund zur Annahme, dass andere Glutene/Getreideproteine zumindest aus immunologischer Sicht verträglicher sind.

      Was man nicht auf alle Menschen gleich beziehen kann:
      – Die starke Entzündungs- und immunologische Reaktion von Gliadin oder anderen Glutenen, wie man sie bei Zöliakie im vollen Ausmaß beobachtet.

      Was man auf alle Menschen beziehen kann:
      – Gliadinpeptide gehören nicht in den Körper, da kommen sie aber bei *jedem* hin.
      – Gliadinpeptide „wirken“ in jedem, wenn auch auf unterschiedliche Arten.
      – Weizenkeim-Agglutinin und Enzyminhibitoren plus andere Antinährstoffe, wie Phytinsäure, die selbst im hochverarbeiteten Mehl noch reichlich vorkommen (kein Thema im Beitrag)
      – Die hohe azelluläre KH-Dichte, die im Kontext moderner Ernährungsformen völlig überflüssig ist
      – Die vielen Begleitstoffe im Teig, die keiner braucht, die aber sowohl den Appetit anregen als auch starke metabolische Effekte haben (s. Zucker und Transfette)

      Das führe ich deshalb aus, um darzulegen, dass es mir persönlich nicht nur um Gliadin an sich geht, *obgleich* es ein großer Grund ist, warum die hiesige Weizenmast nicht gut ist.

      – Reis enthält generell weitaus geringere Proteinmengen, weil er eben nicht „hochgezüchtet“ wurde, um damit Teige zu basteln. Stand jetzt gehe ich davon aus, dass bei normalem Konsum weitaus weniger negative Begleiterscheinungen zu erwarten sind. Trotzdem denke ich nicht, dass es ein ideales Nahrungsmittel ist. Aber zu Reisprotein gibt es wenig Daten.
      – Das gleiche gilt für Hafer.
      – Roggen ist kein gutes Beispiel, weil der Glutenanteil immer noch sehr hoch ist und selbst beim Sauerteig immunologisch aktive Peptide vorhanden bleiben (s. Zöliakie-Forschung dazu!)
      – Zu anderen Proteinbestandteilen im Weizen gibt es so gut wie keine Forschung, daher die Gliadin-Dominanz im Beitrag.

      Hoffe das beantwortet deine Frage.

      Beste Grüße
      Chris

      • Danke Chris, das hast du sehr ausführlich dargelegt!
        Anfügen möchte ich noch Veganer, die sich ja sehr getreidelastik und angeblich super gesund ernähren. Hier ein paar Zahlen: Weizen ca 10g/100g Gluten, Roggen knapp 4, in Sauerteig 1.8g. Der vegane Fleischersatz Seitan besteht zu 100% aus Gluten. So etwas soll uns als pflanzliche Proteinquelle zugunsten von Fleisch verkauft werden.
        100 g Fleisch enthalten knapp 30 g hochwertiges Protein 100 g seitan enthält 100 (!) g Protein… 100 g reines Gluten…
        P.S. Chris, da fällt mir dein Instabeitrag ein, Chiantistudie pflanzliches Eiweiß vs tierisches Eiweiß.

        • Super, freut mich.
          Ja, das, was uns als „besonders gute, zukünftsfähige, klimaschonende und tierleidvermeidende Ernährung“ verkauft werden soll, wird zwangsläufig SEHR getreidelastig sein. Unfassbare Zumutung. Glücklicherweise werden die meisten Europäer sich dieser grünen Hybris nicht beugen, und die meisten Menschen der Welt, vor allem die in Asien, sowieso nicht.
          Beste Grüße

  • Wow absolut der geilste Artikel über diese Thematik!
    Ich verzichte bald seit einem Jahr auf Getreide, Milch und verarbeitete Lebensmittel. Ich will nicht lügen die Umstellung war hart und ist es manchmal jetzt noch. Aber seit 3 Monaten habe ich fast 8kg (72kg auf 64kg) verloren ohne was getan zu haben, das läuft einfach im Hintergrund. Ich vermute mein Stoffwechsel hat einige Monate gebraucht, um richtig angekurbelt zu werden. Das hat mich wirklich überrascht, aber der Körper braucht auch einfach Zeit sich umzustellen, dass ist nicht in ein paar Wochen erledigt. Nur durch eure konsequente Aufklärung bin ich das angegangen! Also danke für diese ganze Arbeit und werdet nicht müde weiter zu machen!

    • Vielen Dank, liebe Nicola.

      Und absolut: Eine Ernährungsumstellung, schon alleine die Reduktion von „Industriefraß“, also die klassische Mischung aus vielen Kohlenhydraten und Zucker, braucht ggf. viel Zeit! Manchmal ist es ein Vor und Zurück, der Körper muss sich enzymatisch darauf einstellen. Was aber zeitgleich sehr gut zeigt, wie verschoben das Körpersystem bzw. unsere Biochemie im Kontext einer modernen Lebensweise ist. Toll, dass du das ohne Druck usw. hinbekommen hast! Bleib dabei :-)

      Beste Grüße

  • Mal wieder richtig geil auf den Punkt gebracht!

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