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Die größte (geistige) Wahrheit

Es gibt ja so genannte Wahrheiten wie Sand am Meer. Doch was ist „Wahrheit“ überhaupt? Ich würde mal sagen: Es ist eine Erkenntnis, die immer und zu jeder Zeit unter den gleichen Bedingungen reproduzierbar sein muss und für jeden Gültigkeit haben sollte. So oder so ähnlich definiert sich auch Wissenschaft bzw. deren Erkenntnisse.

Nun wissen wir ja, dass Wissenschaft – ausgenommen einmal Chemie, Physik, Mathematik – eine subjektive Komponente hat. Versteht man einfach, wenn man sich die Wirkung von Koffein verdeutlicht. Man kann an Zellkulturen (von wem?) oder in Versuchen (an wem oder was?) zeigen, dass Koffein (in welchen Dosen?) bestimmte Effekte hat. Koffein ist eine Wahnsinnssubstanz. Nur: Die Effekte, die man beobachten wird, wenn man dir vs. mir eine definierte Koffein-Ladung reinhaut, können dramatisch variieren.

Wirkung von Koffein – nix da „objektiv“

Mal ein Beispiel. Ich habe hier meinen Gen-Report von Dr. Rhonda Patrick vor mir liegen. Da werden ein paar(!) Gen-Varianten untersucht. Spannend, was da bei mir rauskommt:

  • Ich baue Koffein etwas langsamer ab. Habe einmal eine normal-schnelle Version vom Koffein-abbauenden Enzym Cyp1A2 und einmal eine langsamere. Ok.
  • Ich baue Adenosin, dessen müdemachende Wirkung von Koffein an den Adenosinrezeptoren ja geblockt wird, normal schnell ab. Andere bilden mehr Adenosin und werden daher ohnehin schneller müde. Brauchen also mehr Koffein.
  • Plus: Meine Adenosinrezeptoren selbst sind genetisch so aufgestellt, dass ich auf eine bestimmte Ladung Koffein mit mehr „Ängstlichkeit“ reagiere, aber mein Schlaf nicht gestört ist. Aha.

Das sind drei Bausteine, nur drei, die bei jedem von uns in der Kaskade Koffein rein->Effekt raus variieren. Wie soll da eine „Wahrheit“ für jeden entstehen? Drum geht es uns bei Biochemie, bei Ernährung immer um eine Näherung und eine Beschreibung der Blaupause dafür, dass jeder an sich selbst Effekte feststellen kann. Das ist edubily in a nutshell.

Im Kopf gibt es eine echte Wahrheit

Wenn es um den Geist, um die Psychologie geht, gibt es aber tatsächlich eine Wahrheit. Je älter man wird, umso klarer wird einem, dass man die Energie, die man hat, am besten nicht so sehr dafür verwendet, Dinge steuern zu wollen, sondern eher dafür, Dinge zu nehmen, wie sie kommen.

Denn wenn man „stets bemüht“ ist, alles steuern zu wollen, muss man am Ende mit der Erfahrung leben, dass das Leben ohnehin spielt, wie es will, dass man selbst viele Dinge gar nicht richtig einschätzen kann – erst fehlt einem die Erfahrung, man hat die „jugendliche Hybris“, und später sorgt jedes Lebensjahr dafür, dass man die Welt anders wahrnimmt – und dass einem dann auch noch die Energie fehlt, mit Veränderungen klarzukommen, die ja unausweichlich sind. Schlechte Situation.

Das bringt einen aber in eine Zwickmühle. Denn auch wenn man selbst weiß oder ahnt, dass es so ist, so hat man doch immer noch ein Gehirn, das hervorragend gut darin ist, alle möglichen(!) Probleme aktiv bearbeiten zu wollen. Also mit dem Verstand, der dafür gemacht wurde, eine Nuss zu knacken. Doch auch diesbezüglich wird man mit den Jahren gelassener, denn, und das ist eine echte, wirkliche Wahrheit:

Du kannst dir über alles oder über nix Gedanken machen. 

Unterm Strich wird sich das Ergebnis kaum unterscheiden. Denk mal ernsthaft drüber nach.

  • Es juckt einfach kein Schwein, wenn du den ganzen Tag darüber nachdenkst, was andere von dir denken, als Beispiel. Das ist deine Last. Deine Gedanken werden das, was andere über dich denken, nicht ändern. Verschwendete Energie. Es ist.
  • Es nützt auch nichts, wenn du Sorge hast. Dinge passieren. Oder sie passieren nicht. Du kannst durch dein Verhalten natürlich gewisse Risiken und Wahrscheinlichkeiten erhöhen oder senken – das war’s dann aber auch. Ob du dann trotz guter Ernährung Krebs oder einen Herzinfarkt bekommst – das liegt nicht mehr in deiner Hand.

Die andere „Erleuchtung“

In unserer Gesellschaft erleben wir aktuell das Gegenteil. Vieles ist – aus Sicht eines Systems gesprochen – verzogen. Menschen haben gar kein Vertrauen mehr und keine Gelassenheit. Sie suchen die Lösung für ihre Ängste stattdessen in einer fehlgeleiteten Technokratie. Heutzutage bekannt in Form von twitternden „Top-Virologen“ (gibt offenbar jeden Tag neue), die es schaffen, mit einem von ihnen(!) ausgesuchten wissenschaftlichen Ergebnis in (immerhin bis zu) 280 Zeichen Politik zu machen. Nur, um mal ein Beispiel dieser Auswüchse genannt zu haben.

Heißt also: Wir wollen alles steuern und glauben auch noch wirklich, dass wir das könnten. Haben dabei aber kein Verständnis für natürliche Fluktuationen, dafür, dass wir nur begrenzte Möglichkeiten haben. Und weil wir keinen Halt, keine Identität mehr haben und Traditionen – zumindest in Deutschland – aktiv vernichten, erfinden wir uns einfach unsere eigenen Wahrheiten. Mit der Quintessenz:

Menschen heutzutage akzeptieren das Leben nicht. 

Ich traue es mich fast nicht zu schreiben, aber in gewisser Weise denke ich bei diesem Thema auch immer an „impotente Panther, transsexuelle Fische, Alligatoren mit verkümmertem Penis (…) Schuld sind Hormonsubstanzen, die zu einer neuen Umweltplage wurden. Auch der Homo sapiens zeigt Wirkung: Seine Zeugungskraft schwindet.“ (aus 1994, Quelle) Nicht nur die. Auch der Wille, sich überhaupt fortpflanzen zu wollen, schwindet:

Aldi Woke
Keine Satire, sondern Aldi-Werbung im Jahr 2022 bei YouTube. 

„Das Leben akzeptieren“ ist sehr eng mit Biologie und mit dem – viel gescholtenen aber doch nicht verstandenen – „Darwinismus“ verbunden, der leider unweigerlich das Leben, wie es ist, bestimmt. Denn Biologie ist und wird immer sein: Wenn du ein Jo-Jo bist, ist der Finger, an dem es hängt, deine Biologie. Sie wird dich immer wieder zu ihr ziehen, egal wie sehr du wegrennen oder entkommen willst, egal wie viele tolle Ideen du zum Thema Ernährung, zum Thema Fortpflanzung, zum Thema Gesellschaft und was auch immer hast.

Das ist auch Wahrheit

Auch das macht die Sinnkrise, in der wir, in der viele sich heute befinden. Die einen nennen das paradoxerweise auch noch Erwachen, Biologen hätten dafür vielleicht andere Begrifflichkeiten, siehe oben. Umgekehrt sollte man vielleicht an Richard Nikoleys „Free The Animal“ denken. Gesund ist man, wenn man wieder ein Tier wird. „Wecke den Tiger in dir“, was mit mens sana in corpore sano zeitgleich sogar eine philosophische Komponente hat. Haben könnte.

 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

3 comments On Die größte (geistige) Wahrheit

  • > Doch auch diesbezüglich wird man mit den Jahren gelassener, denn, und das ist eine echte, wirkliche Wahrheit:
    > Du kannst dir über alles oder über nix Gedanken machen.

    Wirklich?
    Einen Schritt weiter und ich erkenne, dass ich mir die Gedanken nicht mache, sondern dass die Gedanken mir kommen.
    Noch einen Schritt weiter und die Konzepte von „mir“ als „handelnder Entität“ mit „freiem Willen“ verblassen.

    • Der Artikel war als Denkanstoß gemeint. Natürlich kann man daraus eine endlose Argumentationsschleife machen…

      Dass „ich“ *bin* steht jedenfalls fest. Und dass wir oft zu viel Quatsch im Oberstübchen haben, auch.

  • So ein guter Text und gar keine Kommentare? Danke für die Zeilen, sie bringen alles mal wieder auf den Punkt…

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