Klarheit: Was bringen Mikronährstoffe?

Heute möchte ich anhand eines plastischen Beispiels erklären, was Mikronährstoffe überhaupt im (menschlichen) Organismus zu suchen haben und weshalb wir so häufig davon reden.

Vorab allerdings noch eine kleine Ankündigung: Unser geschätzter Kollege Tim („Taimes“) hat mal wieder einen starken Artikel für euch aufgesetzt – natürlich zum Thema Schilddrüse. Der wird die nächsten Tag (nachdem editiert wurde) veröffentlicht.

Doch nun zum eigentlichen Thema.

Je größer eine Plattform – wie diese hier – wird, mit umso mehr Meinungen muss man sich auseinandersetzen. Okay, stimmt nicht ganz: … kann man sich auseinandersetzen.

Daher muss man den Unterschied kennen zwischen Kritik aufgrund einer „anderen Motivation“ und sachlicher Kritik, die ein Projekt verbessern will. Ersteres kann man sehr häufig studieren. Es geht primär nur um das Zerstören, nicht um die Entwicklung. Denn: Potenzielle Konkurrenten muss man ja ausstechen.

Wie dumm der Gedanke eigentlich ist, das weiß man meistens hinterher, nachdem eine Auseinandersetzung seine Spuren hinterlassen hat und man sich die Hand gibt.

So ist das eben. Als Laie hat man es häufig schwer zwischen den Kritikformen zu unterscheiden und für sich zu entscheiden, wem oder was man denn nun glauben will. Schwierig wird es, wenn der Kritik-Geber scheinbar aus dem Metier kommt und sich ja auskennen muss. Das kennen wir von vielen – nicht allen! – Ärzten. Denen glaubt man. Nicht aufgrund der etwaigen Expertise, sondern wegen der scheinbaren Expertise.

Die große Kritikfläche, die wir hier bieten, ist in erster Linie die Tatsache, dass wir uns in ein bisher weniger „gelebtes“ Gebiet bewegen. Wir alle haben uns mit Fetten und Kohlenhydraten auseinandergesetzt, mit verschiedenen Ernährungsformen, mit Sport etc., aber die eigentliche Essenz haben wir seltenst gefunden.

Nun leben wir im Reich der Gesetze und es muss etwas Greifbares geben. Eine Mechanik dahinter. Selbstverständlich ist die Mechanik auch kontextabhängig, aber selbst das können wir studieren und die Gesetze dahinter festmachen.

Das ist uns gelungen in nahezu jedem Bereich unseres Lebens. Es geht sogar so weit, dass wir irgendwann auf dem Mars leben können. Was man dazu braucht? Chemisches und physikalisches Know-How – nur so kann man Rakentreibstoffe entwickeln und herausfinden, ob der Planet kompatibel ist mit unserer Physiologie bzw. was es bedarf, um eine Kompatibilität zu gewährleisten.

Wir wissen wahrlich eine Menge über die menschliche Chemie. Um das zu überprüfen muss man sich nur einmal in eine Vorlesung in Biologie setzen und staunen, was man heute alles weiß. Und das Wissen wächst exponentiell, heißt: Bald wissen wir noch viel mehr. Wohl gemerkt: In Anbetracht der extremen Fülle, die es zu entdecken und zu studieren gibt, wissen wir wenig. Umgekehrt wissen wir so viel, dass wir Nennenswertes daraus ableiten können und heute sehr genau wissen, wie, was, wo und warum es wirkt.

Die große Frage ist allerdings: Woher wissen wir das alles? Dazu muss man wissen, dass es gang und gäbe ist, alles an Tieren zu testen. Von A bis Z wird alles an Tieren getestet, natürlich im Einklang mit der Theorie dahinter, die ja heute in aller Fülle vorhanden ist. Man kann auch direkt menschliche Zellen nehmen und daran rumspielen, um zu gucken, inwieweit sich denn beispielsweise biochemische Prozesse in Tier- und Menschenzelle unterscheiden.

Selbstverständlich weiß man auch um die Unterschiede. Man weiß, dass ein Tier nicht dieselbe DNA hat (auch wenn das weniger Unterschied macht, als mancher das glauben möchte) und auch nicht dieselben Expressionsmuster. Heißt: Genprodukte sind anders reguliert. Zur DNA möchte ich noch eine Kleinigkeit sagen: Die DNA an sich unterscheidet sich von Tierart zu Tierart nicht so dramatisch wie man das vermuten würde. Dazu muss man beispielsweise auch wissen, dass der Großteil der DNA überhaupt gar nicht genutzt wird, zum Teil sogar aus „Schrott“ besteht. Epigenetik und Genregulation sind weitaus wichtiger und erklären auch die äußerlichen Unterschiede zwischen Menschen.

Man muss Tausende Studien, pardon, Arbeiten gelesen haben, um ein Gefühl, ein Gespür dafür zu bekommen, was zentral ist und was man vernachlässigen kann. Manchmal habe ich das Gefühl, dass diese Basis bei Vielen, auch bei Wissenschaftlern, nicht gegeben ist.

Man erfährt selbst, was mit evolutionary conserved gemeint ist. Dabei kann es sich beispielsweise um zelluläre Prozesse handeln, die wir in nahezu jeder Spezies finden und auch nahezu unverändert geblieben sind. Als Beispiel kann man hier das mTOR/AMPK-Signalling nehmen, das den Energiehaushalt der Zelle reguliert. Klar ist: Wieso soll die Natur für jede Tierart ein neues System entwickeln, wenn doch ein System gut funktioniert?

Um so etwas richtig einschätzen zu können, muss man eben belesen sein. Und das hat nichts mit 5-Minuten-Wikipedia-Suche oder Mal-eben-das-Biochemie-Buch-lesen zu tun. Das ist harte Arbeit. Man kann auch keinen Freistoß schießen wie Cristiano Ronaldo nach einem Tag Training.

Und hier möchte ich ansetzen: Es stimmt zwar, dass wir sehr viel Ideen artikulieren, die nicht 100-%ig stimmig sein müssen. Aber auf der anderen Seite wollen wir vorwärts gehen und dazu muss man sich manchmal auch aus dem Fenster lehnen. Allerdings könnt ihr euch darauf verlassen, dass unsere Studienauswahl sehr gut geprüft wird.

Dazu möchte ich ein Beispiel besprechen und zeigen, warum wir überhaupt Mineralien und Spurenelemente verzehren müssen, damit wir lebensfähig sind.

In unseren Zellen finden in jeder Sekunde unzählige chemische Reaktionen statt. Damit Stoff A zu Stoff B werden kann, bedarf es in den meisten Fällen eine Aktivierungsenergie. „Einfach so“ reagieren viele Stoffe gar nicht (miteinander). Nun kann man in einer Zelle nicht einfach Hitze oder UV-Strahlung dazu geben (jeweils eine Form der Energie). Daher gibt es Enzyme. Sie machen die Reaktion möglich.

So ein Enzym ist die Phosphofructokinase. Die finden wir beim zellulären Abbau von Glukose, genannt Glykolyse. Diese Glykolyse an sich finden wir bei jedem Eukaryot, dazu zählen sogar Pflanzen! Heißt: Das ist ein evolutiv konservierter Prozess.

Die Phosphofructokinase hilft also dabei, einen Reaktionsschritt in dieser Reaktionskette zu ermöglichen.

Diese Phosphofructokinase kommt – wie angedeutet – in allen Lebewesen vor. Auch dieses Enzym ist also evolutiv konserviert.

Heißt: Wenn wir dieses Enzym bzw. das Verhalten des Enzyms in der Ratten studieren, dann ist die Wahrscheinlichkeit extrem hoch, dass sich dieses Enzym auch in der menschlichen Zelle so verhält.

Denn: Damit man etwas Phosphofructokinase nennen darf, muss vorausgesetzt werden können, dass es sich dabei um denselben (oder extrem ähnlichen) chemischen Aufbau handelt. Das Ding muss (nahezu) identisch sein.

Nun reagieren Enzyme nur deshalb so wie sie reagieren, weil sie einen extrem spezifischen Aufbau haben. Denn der chemische Aufbau muss so organisiert sein, dass das Enzym in Wechselwirkung mit den Substanzen, deren Reaktion es katalysieren soll, treten kann.

Es gibt zwar so genannte Enzym-Isoformen (das sind leichte Variationen im Enzymaufbau), aber bezogen auf das, was im Verlauf erläutert wird, ändert es nichts.

Nun muss man eine Sache zu Enzymen wissen. Viele Enzyme können nicht einfach so „helfen“. Die Aminosäuren alleine richten es zumeist nicht. Deshalb werden beispielsweise Metallatome in das Enzym eingebaut. Das nennt man Metalloenzym. Nur aufgrund dieses Metallatoms (genauer: Ion) kann die Reaktion im Endeffekt ablaufen und überhaupt erst funktionieren.

Phosphofructokinase besitzt als Kofaktor das Magnesium-Ion. 

Magnesium also reguliert die Funktion des Enzyms und somit auch den wesentlichen Schritt der Glykolyse. Jetzt hat sich die Natur ja etwas dabei gedacht, dass sie da Magnesium eingebaut hat. Man kann schlicht nicht jedes Element des Periodensystems da einbauen, da jedes Atom eine unterschiedliche Konfiguration aufweist. Angefangen beim Radius, über die Protonen-/Neutronenzahl hin zur Elektronanzahl und -verteilung im Atom selbst.

Und dieser Aufbau bestimmt ganz wesentlich die Eigenschaft des Atoms bzw. letztendlich des Ions.

Das heißt, dass es generell möglich wäre, ein ähnliches Atom (Ion) an die Stelle einzubauen, aber es entspricht nicht der Regel.

Okay. Ausgehend davon wissen wir nun, dass

  • Glykolyse finden wir in allen Lebewesen.
  • Phosphofructokinase (Enzym) finden wir in allen Lebewesen.
  • Phosphofructokinase braucht Magnesium, damit es funktioniert.

Und an dieser Stelle können wir weiter denken: Okay, was passiert mit dem Enzym und in der Zelle, wenn die Magnesium-Konzentration abfällt?

Und dazu brauche ich keine Menschenzelle. Ich muss das nicht an der Menschenzelle studieren. Dazu reicht es aus, wenn ich ein Säugetier studiere und schaue, was passiert. Am besten wählt man natürlich die Zellart aus, für die man sich interessiert. Danach kann ich dann Theorien aufstellen und gucken, ob es auch beim Menschen so ist. Alternativ kann ich direkt schauen, ob es dazu eine biochemische Arbeit gibt, die das an menschlichen Zellen getestet hat, was aber sehr unwahrscheinlich ist. Denn die Muskelzelle muss ja irgendwoher kommen … du verstehst.

Im Beispiel Phosphofructokinase haben wir hier eine Arbeit gefunden, die das an menschlichen Erythrozyten, also an roten Blutzellen, getestet hat:

The present experiments do demonstrate a distinct Mg2+ dependence of glycolysis, and PFK has a clear dependence on Mg2+ and MgATP, while glyceraldehyde-3-phosphate dehydrogenase does not.“ 

Also in dieser Arbeit wurde unsere Theorie bestätigt: Die Glykolyse, insbesondere das Enzym PFK (Phosphofructokinase) zeigt eine deutliche Abhängigkeit von Magnesium. Natürlich hat man das anhand einer unterschiedlichen intrazellulären Mg-Konzentration getestet.

Selbst wenn wir jetzt davon ausgehen, dass sich Enzyme aufgrund ihrer Isoform etwas anders verhalten, so kann man a) die Gegenprobe mit anderen Tierzellen machen oder b) einfach annehmen, dass die Abhängigkeit zwar gegeben ist, aber vielleicht unterschiedlich stark ausfällt, was die Sache an sich schmälert oder vergrößert, aber nicht ändert.

Natürlich kann man dies noch weiter spinnen und wird erkennen, dass jeder Energieträger in Form von ATP, nicht als ATP vorliegt, sondern als Mg-ATP-Komplex. Und nur dieser Komplex kann die Substrate in der Glykolyse phosphorylieren.

Many of the glycolytic enzymes are sensitive to Mg2+. The most important effect is due to MgATP2-being a cofactor for a number of these enzymes while other chelation forms are inactive or inhibitory. The means by which Mg2+ and Mg2+ chelates of adenine nucleotides regulate the most important glycolytic enzymes–hexokinase, phosphofructokinase, aldolase, phosphoglycerate kinase, and pyruvate kinase–are described in detail.“

Bis hierhin haben wir sauber und logisch gearbeitet. Selbst wenn eine kleine Spekulation dabei wäre, dann wäre dies immer noch wertvoller, als stehen zu bleiben und sich deshalb nicht vorwärts bewegen zu wollen.

Wir wissen jetzt vereinfacht ausgedrückt, dass Magnesium die Glykolyse reguliert.

Nun kann man noch einen Schritt weiter gehen und sich fragen, ob wir durch die Zufuhr von Magnesium auch die zellulären Werte verändern können. Und klar, das geht. Das brauche ich hier nicht extra hinzuschreiben.

Zu guter Letzt kann man sich fragen, ob ein Magnesiummangel im Menschen, ganz real, den Glukose-Stoffwechsel negativ beeinflusst.

Wir haben bisher biochemisch korrekt gearbeitet und ab einem gewissen Punkt, ist die Studienlage einfach sehr dünn. Und genau diesen können wir nicht immer bieten und dann schreien meine Kritiker erhaben auf.

„Guck, der beweist alles an Ratten, aber ob das am Menschen funktioniert … ha!“

Was ich mit dünner Studienlage meine, schreibe ich euch hin:

Furthermore, experimental magnesium deficiency reduces the tissues sensitivity to insulin. Subclinical magnesium deficiency is common in diabetes. It results from both insufficient magnesium intakes and increase magnesium losses, particularly in the urine. In type 2, or non-insulin-dependent, diabetes mellitus, magnesium deficiency seems to be associated with insulin resistance.

Experimentell konnte gezeigt werden, dass ein Magnesiummangel die Insulinsensitivität verschlechtert. Weiterhin wird gezeigt (dick), dass Diabetiker häufig einen Mangel aufweisen.

[content_box box_type=“info“ title=“Gewusst?“]Es gibt nicht „die“ Studie. Die Art der Untersuchung kann extrem verschieden sein, daher ist es wichtig, die Art der Untersuchung zu kennen, bevor man etwas als gegeben akzeptiert. So tauchen in den Nachrichten häufig Schlagzeilen auf wie „Rindfleisch macht Krebs“ etc. – bei diesen Studien handelt es sich zumeist um epidemiologische Studien. Man nimmt ein paar Tausend Menschen, wertet das Ess- oder Lebensverhalten aus und versucht dies mit etwaigen Erkrankungen zu assoziieren. In Anbetracht der Vielzahl an Variablen sind diese Studien nicht aussagekräftig.[/content_box]

Und genau das ist der Punkt, an dem wir uns dann alle streiten: Hier zeigt sich eine epidemiologische Aussage, bei der nicht klar zu verifizieren ist, was zuerst kam: Das Huhn oder das Ei. Denn der Magnesiummangel könnte ja auch Resultat des Diabetes sein.

Solche Studien findest du bei mir sehr selten. Für mich reichen die Stufen vorher. Denn bis die letzte Stufe erreicht ist, bei der eindeutig, 100 % bewiesen wurde, dass eine Sache auch auf jeden Fall beim Menschen funktioniert, vergehen noch Jahre und Jahrzehnte.

Und genau dieser Punkt, ich weiß es genau, wird mir vorgeworfen. Wird mir vorgeworfen von ganz besonders Schlauen, die mein Buch lesen und die Tierstudien sehen. Die wissen aber nicht, dass 90 % aller biochemischen Analysen auf Tierstudien basieren, dass alle Biochemiebücher nur aufgrund dieser Versuche überhaupt verfasst werden konnten, dass wir in der Medizin heute so viel über Anatomie und Funktion der Organe wissen etc. etc. Alles das, was wir über Ketonkörper, Ketogenese, Kohlenhydratoxidation, den Fettstoffwechsel etc. etc. wissen, wissen wir nicht nur weil sich 10 Menschen gefunden haben, an denen wir das testen können. Nein – das wurde jahrelang auch an Tieren getestet. Sind wir deshalb dümmer geworden? Nein absolut nicht. Im Gegenteil. Du weißt glaube ich nicht, wie gut wir es heute haben.

Dabei verstehe ich einfach nicht, wie Menschen so ein riesiges Potenzial herschenken. Die haben lieber eine schlechte Glukose-Toleranz anstatt mal biochemisch nachzufragen, was da unten in den Beinen denn überhaupt mit dem Zucker passiert.

Aber dazu braucht man Glaube. Glaube an das Gute, Glaube auch an die Wissenschaft und vor allem Glaube an mein eigenes Gehirn.

Hier liegt das riesige Potenzial vor dir. Wir wollen es dir anbieten und aufbereiten. 

Wer das nicht sieht und nicht auch nutzen will, der hat ein großes Interesse daran, so zu leben wie bisher. Oder anders ausgedrückt: Der Leidensdruck war noch nicht groß genug, um sich mit so etwas auseinanderzusetzen.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

1 comments On Klarheit: Was bringen Mikronährstoffe?

  • Richtig! Das ist der Unterschied zwischen dummer Polemik und Wissen (Messen, selber Ausprobieren und staunen). Anstatt immer nur destruktiv die Sätze anderer auf die Goldwaage zu legen, sie zu zerpflügen und zu kritisieren, kann man sich auch einfach die Biochemical Pathways kaufen und……. Ruhe geben. Danke Chris!

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