Noradrenalin-Effekt

Der Noradrenalin-Effekt

Immer wieder tauchen irgendwo Erfahrungsberichte oder Leserbriefe auf. Die kann man auf vielen Internetseiten und gewissen Foren finden. Meistens in Verbindung mit einer bestimmten Ernährungsform oder Lebensweise.

Bemerkenswert für diese Briefe/Berichte ist diese unsägliche Überschwänglichkeit. So, als ob Menschen noch einmal drei Jahre alt sein dürfen und das erste Mal so richtig erleben, von einem Weihnachtsmann beschenkt zu werden.

Nun soll das keine Lästerei sein. Vielfach habe ich genau das selbst erlebt. Und vielfach hätte ich selbst gerne Briefe/Berichte geschrieben und meine Freude ausgedrückt. Leider halten diese Zustände in der Regel nur wenige Tage an. Jedes Mal dachte ich, „zu früh gefreut“. Bittere Enttäuschung.

Ich nenne das mittlerweile den „Noradrenalin-Effekt“. Aus irgendwelchen Gründen, vielleicht ist es die positive Erwartung, schüttet der Körper bei solchen etwas radikaleren Veränderungen Katecholamine aus, so, als ob wir uns gerade neu in eine Person verliebt hätten. Kennen wir doch, nicht wahr? Plötzlich hat man Energie, vielleicht sogar das erste und das einzige Mal im Leben — ehm, je nachdem natürlich, wie oft man sich so verliebt.

Die tatsächlichen Auswirkungen einer Lebensstil-Umstellung sind oft viel, viel subtiler. Vielleicht schläft man mal besser, vielleicht geht der Blutdruck runter, vielleicht ist die Leber nicht mehr fett, vielleicht nimmt man ja selbst ein paar Kilo ab oder, im besten Falle, man läuft seine Runde eben 5 Minuten schneller. Alles toll — nur eben keine Superdrogen-ähnliche-Effekte.

Die extreme Überschwänglichkeit in Leserbriefen kann ich deshalb nicht mehr ernst nehmen. Leute, die solche Briefe schreiben, sind — gelinde gesagt — noch grün hinter den Ohren und müssen eben selbst erst mal die Erfahrung machen, dass bestimmte Ernährungsformen bestimmt irgendwo toll sind. Aber weit weg von dem, wovon sie eigentlich träumen.

Phil und ich machen gerade ein Experiment. Was genau, das wollen wir noch nicht verraten. Da meinte der doch tatsächlich: „Irgendwie ist das nicht so spannend wie vor einer Ketose.“ Da dachte ich: Stimmt. Es gibt einfach nicht so viel zu entdecken. Leider lieben wir Menschen die Geschichten, das Abenteuer drumherum. Diese Magie, die von jeweiligen Lebensstilen ausgeht.

Und was ist das? Genau, Noradrenalin.

Wenn du also das nächste Mal glaubst, du bist gerade neu geboren. Warte lieber mal zwei Wochen ab, bevor du Briefchen schreibst.

Wohlgemerkt: Lifestyle-Änderungen können ganz, ganz profunde Unterschiede hervorrufen. Keine Frage. Dennoch muss man realistisch sein und bleiben. Denn abgesehen von solchen Noradrenalin-Effekten, gibt es noch andere Effekte, die man ggf. kennen sollte. Zum Beispiel Gewöhnung. Natürlich gewöhnt man sich auch an die guten Effekte. Die sind dann eben nicht mehr besonders. Wir merken den Unterschied dann erst wieder, wenn es uns richtig schlecht geht.

Verstanden? Wer sich mit solchen Themen auseinandersetzt, der muss ein paar Hintergründe kennen. Sonst kommt es zu Missverständnissen, seltsamen Fragen und/oder großen Enttäuschungen.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

1 comments On Der Noradrenalin-Effekt

  • Der Weg der Erkenntnis, der in vielen Fachgebieten auftritt, wenn man erstmal ein breiteres Wissen angehäuft hat. Andererseits, ohne diese „jugendliche Begeisterung/Überschwang“ hättet ihr diese tolle Seite nicht erstellt. Insofern, als alter Mann, freue ich mich über eure Arbeit und welches Niveau ihr erreicht habt. Bin da ganz eigennützig. Grüsse.

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