autophagie

Art de Vany: Wie wir wieder jung und fit werden

Als Großvater der Paläo-Bewegung wurde er bezeichnet: Art de Vany.

Der gute, mittlerweile etwas ältere Herr, lebte Jahrzehnte lang sein „evolutionary lifestyle“. Drauf gekommen ist er als sein Sohn an Diabetes Typ 1 erkrankte. Er wälzte Stoffwechselbücher und entwickelte eigene mathematische Modelle, basierend auf dem Lebensstil von Jägern und Sammlern — er selbst ist Wirtschaftswissenschaftler.

Lange Zeit war es still um ihn. Jetzt bald könnte ein neues Buch von ihm erscheinen. Denn er hat ein neues Lieblingsthema für sich entdeckt: Autophagie.

„Autophagie, Autophagie, Autophagie, alles ist Autophagie“.

Wir erinnern uns kurz: Autophagie beschreibt das recyceln von Zellschrott, also auch von z. B. dysfunktionalen Mitochondrien („Mitophage“) oder Proteinschrott.

Kaum verwunderlich: Nachdem Yoshinori Ohsumi 2016 den Nobelpreis für seine Arbeit zum Thema Autophagie erhalten hat, ist Autophagie in und in aller Munde.

Art de Vany hat allerdings noch ein anderes Lieblingsprotein bzw. -gen für sich entdeckt: FOXO.

Im Grunde gibt es viele verschiedene FOXOs und wir könnten hier gar nicht alles en detail besprechen. Der Grund, warum De Vany FOXO so toll findet: Es spielt eine Rolle bei der Autophagie-Induktion.

In seinem Video (das unten angehängt ist) spricht er von „Renewing Cycles“, also Zyklen, die Körperfunktionen bzw. -Strukturen erneuern.

Zyklen? Das könnte es bei uns klingeln — zumindest bei denjenigen, die uns schon länger lesen und z. B. den Handbuch-Inhalt kennen. Denn auch dort sprechen wir solche Zyklen an.

Kurz gefasst: Zunächst müssen wir katabol (Sirt/AMPK usw.) und im Anschluss anabol (Insulin/mTOR usw.) werden.

Der Zyklus muss allerdings vollständig sein. Denn wenn das Ganze aus dem Gleichgewicht gerät, gibt es negative Folgen. Wie immer bei biologischen Systemen.

Entdeckt hat man damals im Fadenwurm, dass es ein Gen gibt, das Langlebigkeit reguliert. Zumindest in diesem Wurm. Das sogenannten Daf-16-Gen (bzw. das daraus gebildete Protein) wird aktiv … wenn Insulin nicht mehr wirkt. Das kann man in diesen Tieren z. B. durch einen Insulin-Rezeptor-Knockout bewerkstelligen. Dann steigt Daf-16 an und aktiviert bestimmte Gene. Das Tier lebt lange, sehr lange.

Es stellte sich heraus, dass Daf-16 das Gen/Protein ist, das es im Menschen zigfach in Form der FOXOs gibt. Darüber hinaus weiß man, dass die für uns wichtigen FOXOs (auch) durch Insulin reguliert werden. Tatsächlich sind das Gegenspieler. Wenn Insulin den anabolen Signalweg (Insulin/Akt/mTOR) in den Zellen aktiviert, wird FOXO inaktiviert.

Nun, wie gesagt, FOXO reguliert Autophagie und Insulin (und alles, was den anabolen Signalweg anknipst) hemmt sie. Das komplette Phänomen, auch mit Blick auf die Autophagie-Induktion, hatten wir hier aufgedröselt.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Katabolie, Autophagie und so weiter hätten wir immer. Denn die Zellen haben einen Energieverbrauch, sprich der Motor brummt. Die Induktion der Autophagie würde immer ablaufen. Gäbe es da nicht die Bremse in Form von anabol wirkenden Substanzen oder Substrat — also Glukose, Insulin, Aminosäuren und so weiter.

Deshalb sagte ich damals: Wir brauchen uns um Autophagie usw. keine Gedanken zu machen, wir sollten stattdessen das Gaspedal regulieren, also auf unseren Insulin-Haushalt etc. achten.

Schlaue Menschen kommen ja dann immer auf die glorreiche Idee: Man könnte ja leben wie ein Fadenwurm und Insulin gänzlich abschaffen. Die vergessen dabei aber immer, dass es einen Grund hat, warum es Insulin und Anabolismus überhaupt gibt. Stammzellen z. B. brauchen anabolen Input, damit sie aktiv werden. Das Herz und andere Gewebe regenerieren eben erst, wenn es anabole Signale als Input gibt. Muskelwachstum braucht Anabolismus und uns dürfte allen klar sein, dass IGF, also unser Wachstumshormon, dafür sorgt, dass wir überhaupt regenerieren können.

Wenn FOXO und Autophagie also für Robustheit, Stressresistenz, kontrollierter Zelltod und Langlebigkeit steht, steht Insulin etc. für Wachstum und Erneuerung.

Genau das bespricht Art de Vany in seinem Vortrag. Bald können wir das sicher in seinem Buch nachlesen.

Ich wundere mich nur immer über die Empfehlungen, über die Hintergrundgedanken, über das große Missverständnis der vielen Geister: Je älter wir werden, umso weniger Insulin wirkt bei uns. Neben der Tatsache, dass wir alle immer insulinresistenter werden, danken auch unsere anabolen Hormone wie IGF zunehmend ab. So, dass wir mit 40 spürbare Probleme mit der Regenerationsfähigkeit des Organismus bekommen.

Wieso wird quasi nie darauf hingewiesen, dass mehr Anabolismus die richtige Waffe wäre? Also mehr IGF, also eine bessere Insulin-Sensitivität, eine bessere Insulin-Wirkung, mehr Krafttraining, mehr Wachstumsfaktoren, mehr Testosteron. Nicht noch weniger von alledem, indem man, im falschen Glauben, nun anfängt dauerhaft zu fasten oder die tägliche Kohlenhydrat-Menge so drückt, dass eine physiologische Insulinresistenz entsteht? Noch genialer: Aminosäuren vom Speiseplan streichen.

Warum?

Hier klafft meines Erachtens eine große Verwerfung. Wir lernen ein paar Basis-Ideen und -Konzepte, aber wenden sie nicht richtig auf das tägliche Leben an. Wir können einer Oma, die bald in sich zusammenfällt und eh schon wenig isst, doch nicht sagen, dass sie mit mehr FOXO und Autophagie, also mit weniger Insulin und Co., länger leben wird. Wir können einem Mann im mittleren Alter, der sich ob seines tollen Testosteron-Haushaltes wie ein Babyhund fühlt, doch nicht sagen, dass er sich jetzt proteinarm und am besten vegan ernähren soll, damit er alle Wachstumsfaktoren quasi abstellt.

Für mich ist das das klassische Bild. Wir suchen immer den Guten und den Bösen. In unserem Fall heißt der Bösewicht nun schon seit Jahren Insulin und der Superheld … ist die Autophagie, ist FOXO, ist Katabolismus.

Der Witz an der ganzen Sache ist ja, dass Insulin völlig missverstanden wurde. Wir messen hohe Insulin-Werte bei Stoffwechselkranken und sagen: Insulin ist schuld. Die Wahrheit ist doch: Insulin steigt, weil es nicht mehr wirkt. Würde man das so akzeptieren, könnte die Schlussfolgerung eine ganz andere sein: Die sind krank, nicht weil zu viel Insulin da ist, sondern weil im Gewebe zu wenig Insulin-Wirkung ankommt!

Im Endeffekt landen wir wieder bei der banalen Wahrheit: Es sind die Zyklen und der reibungslose Ablauf ebendieser.

 

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Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

4 comments On Art de Vany: Wie wir wieder jung und fit werden

  • Wieder einmal sehr interessant. Jetzt kann man wieder ins nachdenken kommen, wenn man
    a.) gesund lang leben möchte
    b.) Muskulatur ordentlich haben möchte
    und im sagen wir mittleren Lebensalter oder sogar im fortgeschrittenen ist.

    Ist beides nur kombinierbar, wenn beides einen Kompromiss darstellen muß? Entweder setze ich auf die Karte anabol oder mal anabol dann wieder katabol?
    Sollte mann dann nicht komplett intermittierend fasten oder reicht es aus, die KHs zeitweise wegzulassen?

  • Ich glalube, die Suche nach dem Bösen ist mehr die Suche nach dem schnellen Erfolg. Alles muss heute schnell und sofort wirken, dabei natürlich einfach sein und menschlicher Logik entsprechen (die sich ja oft irrt). Vielleicht ist die Wahrheit sogar viel einfacher, als wir sie wollen: Zyklen, abwechslungsreich, vielfältig. Sowohl bei der Ernährung, bei Sport/Bewegun/Erholung. Unser Körper kann viel vertragen und selbst vieles regulieren, wenn wir ihn denn lassen. Und nicht ständig Vollgas geben oder nur die Bremse treten, wie du es so schön sagst. In jeder Hinsicht!

  • Ich denke auch dass nur der zyklische Hungerzustand (lowcarb) vorteilhaft sein kann. Zb. die Kriegsveteranen die wochen-monatelang gehungert haben sind heute 90 Jahre alt und darüber. Nur diejenigen natürlich die in der darauffolgender Übermaßkonsumgesellschaft kein selbstzerstörerisches Leben führten, also normal-ausgeglichen weiterlebten. Nach normaler Logik ein monatelanger Hungerzustand müsste unwiederkehrbare Schäden im Organismus anrichten, Scheinbar das Gegenteil der Fall ist.

    • Doch, es gibt viele Studien über Kriegs- und Hungerzeiteneinflüsse in verschiedenen Lebensjahren – und die Ergebnisse sind durchgehend negativ: mehr Krankheiten, niedrigere Lebenserwartung. Der Gedanke stimmt also „leider“ nicht.

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