Natürlich formuliere ich solche Überschriften ganz bewusst reißerisch. Weiß ja genau, dass sich manche Vertreter tierisch darüber aufregen :-) Ich darf mir auch mal ein paar Späßchen erlauben!
Neue Low-Carb Studie entkräftigt Taubes‘ Thesen
Tatsächlich aber werden in den kommenden Wochen die Ergebnisse der Hall-Studie veröffentlicht. Dr. Kevin Hall ist der Leiter der Studie. NuSI (Nutrition Science Initiative) ist das Institut, das u. a. Dieser Link existiert nicht. Ziel ist es, Studien-Ergebnisse zu generieren, die uns dabei helfen, zu verstehen, warum Fettleibigkeit etc. überhaupt entsteht.
Wir erinnern uns kurz, Gary Taubes war der Typ, der die Low-Carb-Lawine losgetreten hat.
Carbohydrates drive insulin drives fat
Auf Deutsch: Kohlenhydrate sind der Grund, warum wir alle fett werden.
Taubes rief ein Institut ins Leben, das Wissenschaftler verpflichtete, die qualitativ hochwertige Ergebnisse liefern sollten bzw. sollen. Die Hall-Studie sah folgendes vor:
Detailed Description:
Popular weight loss strategies often prescribe targeted reduction of dietary carbohydrate or fat. Recent clinical trials in obese subjects have found that low-carbohydrate diets result in greater weight loss compared with low-fat diets on a time scale of months when diet adherence was likely the highest. One hypothesis regarding the mechanism of improved weight loss with low carbohydrate diets is that such diets significantly modify the body s hormonal milieu to influence metabolic regulation and energy expenditure. Low-carbohydrate diets may thereby offer a metabolic advantage over low fat diets. In addition, low-carbohydrate diets may also decrease hunger or increase satiety compared to low-fat diets.
Determining the mechanism whereby one diet leads to greater weight loss than another is hampered by the inability to accurately measure food intake or physical activity in an outpatient setting. Thus, an inpatient feeding study lasting many weeks is required to accurately measure energy balance differences between isocaloric diets that differ in macronutrient composition. In this pilot multicenter cross-over study in 16 overweight and class I obese men, we will measure changes in energy expenditure in response to 4 weeks of inpatient feeding of a eucaloric, very low carbohydrate, ketogenic diet (5% Carbohydrate, 15% Protein, 80% Fat) immediately following an inpatient period of at least 4 weeks of consuming an energy balanced standard American diet (50% Carbohydrate, 15 % Protein, 35% Fat).
(Referenz)
Also: Vier Wochen lang werden ein paar Übergewichtige genau überwacht, dürfen unterschiedliche Makronährstoffe, in unterschiedlichen Anteilen, konsumieren (siehe oben). Die Teilnehmer müssen ihre Kalorienzufuhr nach dem Verbrauch richten.
Ziel: Beobachten, was mit dem Stoffwechsel passiert. Gibt es „metabolische Vorteile“ bei ketogenen Diäten?
Eigentlich, ganz ehrlich, sind mir die Ergebnisse egal. Weil ich aber weiß, wie es wieder eskalieren wird, stelle ich meinen Lesern vorab die Ergebnisse vor.
Es gibt keinen Unterschied (auch keine Stoffwechselvorteile oder -nachteile) zwischen „Normal“ und „Keto“.
Ich schrieb oben bereits: Es wird wieder eskalieren. Denn einige Hobby-Professoren werden wieder seitenlange Stellungnahmen über die nicht gemessenen Keton-Werte … und so weiter schreiben. (Wir erinnern uns: Vor einigen Monaten wurden bereits Ergebnisse von Hall veröffentlicht, die in Cell Metabolism erschienen sind und für ein großes Echo gesorgt haben.)
Das Kohlenhydrat als Feind
Eigentlich müsste man sich auf der Welt nur einmal ein bisschen umschauen und die ideologischen Scheuklappen abnehmen, um zu realisieren, dass „das Kohlenhydrat“ nie und nimmer der alleinige Verursacher unserer Probleme sein kann. Dass es ganze „Langlebigkeitszonen“ (Blue Zones) auf der Welt gibt, wo quasi nur Stärke auf dem Speiseplan steht, dass es viele, viele Publikationen und Erfahrungsberichte gibt, die aufzeigen, dass man auch dann abnehmen kann, wenn man nur Kohlenhydrate isst bzw. wunderbar schlank bleiben kann, gerade mit einer kohlenhydratreicheren Ernährung. Dass es sämtliche, ja, sogar Zeitungsberichte gibt, wo Menschen spaßeshalber 20 Kilogramm mit Junkfood abgespeckt haben, dass sämtliche Stoffwechselanomalien eben nicht auf eine Ernährungsform, sondern auf den Ernährungsstatus (überfressen vs. normal) reagieren … Aber, was reden wir überhaupt? Wir haben ja mittlerweile wirklich genug geredet. Fazit: Lohnt nicht.
Wer es nicht sehen will, der sieht es nicht.
Ganz im Gegenteil, leider. Es gibt noch immer die Menschen, die ihre Ernährung leben und verbal verteidigen wie eine Religion. Die glauben, das Weltbild anderer Menschen drehe sich nur um das Kohlenhydrat, dabei ist es genau anders herum. Das Leben dieser Anti-Kohlenhydrat-Menschen dreht sich nur um das Kohlenhydrat. Die merken das gar nicht mehr.
Äpfel-mit-Birnen-Vergleich als Beweisführung
Mir ist es gerade vorgestern wieder passiert. Schwups bin ich auf der Seite eines „Influencers“ gelandet, der uns in einem Video erklärt, wie viel Zucker (!!!) in einer bestimmten Menge Spaghetti enthalten ist. Während des Videos wundert sich der Darsteller noch, warum auf der Packung lediglich eine geringe Zucker-Menge auftaucht. Die Portion Spaghetti wird im Anschluss verglichen mit einer gewissen Stückzahl Zuckerwürfel.
Natürlich kann man somit ein paar Leser beeindrucken. Zu viele!
Ob diese Menschen auch wissen, dass in einem Körper gut und gerne die Kohlenhydrat-Menge aus einem Kilogramm Spaghetti gespeichert werden kann? Dass das eine gängige, täglich millionenfach angewandte Praxis bei Sportlern ist? Wie viele Zuckerwürfel wären das wohl? Wohlgemerkt: Das ist normal! Die Fähigkeit zur Speicherung von Kohlenhydraten als Glykogen, nicht als Fett. Das ist normal. Wenn der Körper das nicht mehr kann, dann ist er krank. Verstanden? Krank ist nicht Normal.
Das Schlimmste ist, dass im Video nicht einmal klar definiert wird, was der Unterschied zwischen Zucker und Glukose ist. Stattdessen wird darauf verwiesen, dass es dem Körper völlig egal ist, woher die Glukose kommt.
Auf derselben Internetseite kann man sich das Dr.-Lustig-Video anschauen, wo der Unterschied ja genauestens definiert wird. Ob sich der Influencer seine eigenen Referenzen überhaupt anguckt?
Weil wir hier bei edubily und nicht auf einer x-beliebigen, ideologisch angehauchten Low-Carb-Seite sind, hier noch einmal der Grund, warum die Zucker-Menge, die wir auf der Spaghetti-Packung finden, so niedrig ausfällt: Spaghetti besteht aus Stärke. Stärke wiederum besteht aus Glukose. Zu einem kleinen Teil ist auch Zucker enthalten, der in der Fachsprache Saccharose heißt. Einen großen Schritt hätten sämtliche Autoren getan, wenn sie einmal klar definieren würden, was Zucker bei ihnen oder umgangssprachlich überhaupt bedeutet.
Zucker? Welcher „Zucker“?
Also: Glukose und Saccharose (meinetwegen auch: Haushaltszucker) unterscheiden sich in ihrem chemischen Aufbau, aber auch in der Wirkung und es ist wohl ein Unterschied, was von beiden gegessen wird. Auch wenn Saccharose zu einem Teil (50:50) aus Glukose besteht, ändern wir das Szenario (den Kontext) durch die gleichzeitige Anwesenheit von Fruktose (50 %). Um das besser zu verstehen, reicht es, diesen Blog zu kennen oder noch einmal das Video von Dr. Lustig anzugucken. Dort erklärt er den Unterschied deutlich, was aber von vielen anscheinend nicht verstanden wird.
Die nämlich machen aus dem weißen Haushaltszucker Zucker, aus Stärke Zucker, aus Glukose Zucker, aus Fruktose Zucker, aus Laktose Zucker … die machen aus allem einfach „Zucker“.
Und Zucker macht Zucker, also Zucker-krank, also Diabetes … und Insulinresistenz. Man merkt hoffentlich die Ironie.
Seien wir fair: Saccharose (Haushaltszucker) kann tatsächlich dabei helfen, eine metabolische Entgleisung (Insulinresistenz und Co.) herbeizuführen (auch hier: Lustig-Video). Aber … Gilt das unter allen Umständen? Bei wie viel Gramm? Muss man dafür eine hyperkalorischen Situation kreieren? Ist ein bisschen komplizierter.
Trotzdem: Saccharose ist mitnichten ein Synonym für alle Kohlenhydrate auf der Welt. So viel Differenzierung kann man verlangen, oder? Der Körper kann das auch wunderbar differenzieren. Deshalb gibt es Glukose-Transporter, keine „Zucker“-Transporter. Also selektive Transporter, die den Unterschied genau erkennen. Dir fällt doch auch er Unterschied zwischen einem Schäferhund und einem Dackel auf, oder? Beides sind Hunde, aber wohl ein bisschen unterschiedlich. Dir ist auch klar, dass du kein Gorilla bist und dass Äffchen sich schon ein bisschen unterscheiden von dir (obwohl …) – trotz der Tatsache, dass wir alle Menschenaffen sind. Und so weiter. Nur weil etwas ähnlich ist, ist es nicht gleich.
Also: Den Stärke-Gehalt der Spaghetti in Form von Zuckerwürfel darzustellen ist nicht gerade ein Experiment höchster wissenschaftlicher Güte, um es einmal nett zu formulieren. Mal abgesehen von der psychologischen Wirkung, die man damit erreichen will – was sich bekannte deutsche Tageszeitungen ebenfalls zunutze machen.
Wenn schon, denn schon
Diese ganzen Halbwahrheiten und populistischen Aussagen sind einfach nur eine Qual, tun weh. Videos, wie oben beschrieben, gucke ich mir eigentlich gar nicht mehr an. Das, was eine emotionale Reaktion in mir auslöst, sind die vielen, vielen Leute, die da Applaus klatschen. Und sich dann auch nicht schämen, ihr neu erworbenes Wissen auf andere Seiten zu klatschen und die Botschaft weiterzutragen. Völlig ohne Hintergrundwissen oder differenzierte Analyse (dafür müsste man ja auch mal Nicht-Low-Carb-Lektüren und -Internetseiten lesen).
Wer Erfolg mit seiner Sache hat, der soll dabei bleiben und glücklich werden. Wer den Schnabel aufmachen und anderen eine Geschichte erzählen will, der sollte es mit ordentlicher Beweisführung tun. Daran scheitert es dann immer.
28 comments On Der Genickbruch für Low-Carb – Diese Studie solltest du kennen
Diesen Artikel finde ich nicht so überzeugend wie andere edubily Artikel, da kurioserweise Kohlenhydrate nicht weiter unterschieden werden und das ist nach meiner Erfahrung unerlässlich. Hier wird das hervorragend dargelegt: https://chriskresser.com/leptin-resistance-and-its-role-in-obesity/
Also jemand der schlank vor 9 Jahren über 40 in Prediabetes und pAVK rein-rutschte (mit 60% Geh-Behinderung) interessieren mich solch ideologisch gefärbten Diskussionen eher wenig.
Festhalten möchte ich jedoch, dass ich mit einem Glucose-Meter ausgestattet (sowie umfangreiche Laborbeobachtungen, und Supplementation) geradewegs bei low-carb landete. Prediabetes tschüs, und Grad der Behinderung aufgehoben. In meinem Fall Genick-bruch für carbs, um mit der reißerischen Polemik hier etwas mitzuhalten.
Es gibt eben keinen one-size-fits-all, und ich hoffe dass sich jeder dessen bewusst ist, und den Studien die davon ausgehen wenig Glauben schenkt.
Ich will eigentlich keine wilde Diskussion anzetteln, aber die Studie finde ich nicht sonderlich interessant, weil die eigentlich spannenden Aspekte bzgl. „Low Carb“ und Abnehmen nicht betrachtet wurden. Stichworte: Ketolyse und Hunger.
Du hast schon Recht, machst aber – sprachlich gesehen – auch einen Fehler. Klingt komisch, is aber so.
Kohlenhydrate, also Saccharide sind Zucker. Dementsprechend bestehen auch Spaghetti v.a. aus Zucker, also Kohlenhydraten.
Was der von Dir erwähnte Video-Mann jedoch offenbar nicht unterschied, waren die unterschiedlichen Arten und „Größen“ von Zucker. Also die Unterscheidung von Polysacchariden („Vielfach-Zucker“) mit mehr als 10 Zuckermolekülen, den Oligosacchariden mit 3-10 Zuckermolekülen und schließlich dem Zweifach-Zucker Saccharose, dem landläufigen Rohrzucker oder Haushaltszucker. Wenn wir Zucker sagen, meinen wir meist dieses Disaccharid aus je einem Glukose- und Fruktosemolekül.
Also Deine Differenzierung stimmt ja, mir geht es hier um die sprachliche Genauigkeit, da Du es ja auch sehr genau nimmst in Deinem Post.
Ansonsten stimme ich Dir zu und finde auch die Studie interessant.
In der Realität profitiert der Eine von Low-carb, während es dem Anderen nicht bekommt. Die individuellen Voraussetzungen (Alter, Gewicht, Blutfettspiegel/stoffwechsel und hormonelle Situation) mögen dafür verantwortlich sein.
Hi Reinhard,
na, man muss – finde ich – schon ein bisschen aufpassen. „Zucker“, wie wir es kennen, ist eigentlich Haushaltszucker, also Saccharose – zumindest wenn man die Beschriftung der Verpackung liest. Dort wird unterschieden zwischen Kohlenhydraten allgemein und „Zucker“.
Drum sollte man klar artikulieren, was mit „Zucker“ gemeint ist, ansonsten führt das zur Verwirrung und falschen Entscheidungen.
Die Dame in dem von uns genannten Video wundert sich, warum nur so wenig „Zucker“ in Spaghetti enthalten ist, nutzt dann gleichzeitig „Zucker“ (also Haushaltszucker), um zu zeigen, wie viele Kohlenhydrate in Spaghetti enthalten sind. Das ist schlicht irreführend und auch falsch. Glukose ist ja nicht gleich Saccharose.
Ansonsten gebe ich dir recht.
LG, Chris
Hallo,
Also meine Erfahrung als es noch nicht Low Carb geheißen hat, ist das ich Streckenweise in Unterzucker gefallen bin kurz nach dem Training. Ich denke dass es relativ nicht wirkungsvoll ist. Man hat steht’s Hunger weil Kohlenhydrate einfach mal der Treibstoff sind. Ich bin auch nicht dick habe eher Luxusprobleme von 3-4 Kilo zuviel ab und zu. Aber wieviel man brauch kann ja jeder nach seiner Tätigkeit selbst bestimmen. Gibt ja mittlerweile nette Helferlein um seinen Kalorien Umsatz zu messen. Wenn ich Muskeln aufbauen will, schaue ich dass ich das Eiweißverhältnis etwas höher dosiere.
Und versuche Fette der Güteklasse C ( tierisch) zu vermeiden bzw stark zu reduzieren. Der Stein der Weisen liegt in jedem einzelnen selbst begraben. Also ausprobieren;-). Habe 20 Jahre rumexperimentiert um festzustellen dass man alles brauch nur die Anteile wieviel % Eiweiß, Kohlenhydrate und Fett man brauch um sein persönliches Ziel zu ereichen muss jeder für sich selbst herausfinden und natürlich ūber seinen Kalorienbedarf berechnen.
Noch kurz zu meiner Person ich bin 43 und verkaufe Gesundheit. Somit schaue ich auch gesund aus;-).
Liebe Grüße aus Oberbayern
Moin Jungs,
aus meiner langjähriger arbeit sowohl im research als auch am klienten kann ich eine Sache nennen, die für alle ambitoinierten problematisch wird:
Eine Low Carb funktioniert bei „Nicht Übergewichtigen“ definitiv besser, als eine einfache Kalorienreduzierte. Studien werden immer mit übergewichtigen gemacht. Aber was ist mit den Leuten die sich ohne Stoff ein Sixpack antrainieren/essen wollen? Bei ambitionierten Leuten kommst du mit einer einfach Kalorien reduzierten Ernährung nicht weiter… das habe ich vielfach erlebt.
Ergo: Die Studie sagt aus, low carb / kalorienreduziert bei übergewichtigen – passt. Aber am Ende des Tages kommt es tatsächlich nur auf die Hormone an. Und da bist du Low Carb tehnisch meilenweit im Vorteil. Ich kenne genug Leute, die ohne Low Carb nicht shredden können. Am Ende ist alles eine Frage der Genetik / der Hormonzusammensetzung…
Hi,
das meine ich mit: Konzepte nicht durcheinander werfen.
Aus persönlicher Erfahrung weiß ich auch, dass es Richtung 5 % Körperfett (vielleicht schon ab 10 % abwärts) sehr hart wird, „leicht“ Fettmasse zu verlieren. Das sind Bereiche, die einen erst als Leistungssportler interessieren. Das ist wie in jedem anderen Bereich auch. Je stärker man ans Maximum kommt, umso langsamer wird es vorwärts gehen und umso klüger und durchdachter muss man die Sache angehen.
Konkret: Richtung 5 % Körperfett ist das Fettgewebe z. T. so hartnäckig, dass man tatsächlich nur durch Fasten- oder Fasten-ähnliche Zustände effektiv Gewicht verliert. Gilt vermutlich nicht für alle Individuen, aber für einige sicher schon.
Meines Erachtens muss man aber auch hier ganz klar differenziert bleiben, denn diese „Fettmassen-Zone“ ist sicher außerhalb der Reichweite von 99 % der Menschen.
Bevor man allerdings dort hin kommt, gelten die „einfachen“ Spielregeln, denn der Gewichtsverlust sollte i. d. R. parallel zur Fettmasse verlaufen. Heißt: Ein sehr dicker Mensch verliert pro Zeiteinheit (viel) mehr Fett als jemand, der bereits bei 10-15 % ist. Daher gibt es Menschen, die innerhalb von 2-3 Monaten 90 % ihrer (überschüssigen) Fettmasse verlieren und dann Jahre damit verbringen, die letzten 10 % zu „bekämpfen“.
LG, Chris
Das finde ich auch immer sehr spannend!
Aber wie passt das denn mit der Kalorienthese zusammen?
Ein extrem fettleibiger, der innerhalb von einem Monat mehrere kg Fett verliert – so viel kann doch gar nicht der Metabolismus nach oben gehen, oder?
Hallo Chris,
mal wieder ein spannendes Thema. Zur Hall-Studie: bei gleicher
Kalorien-Zufuhr bzw. -Reduktion sieht man im Vergleich Low Carb vs. Low Fat immer
fast gleiche Ergebnisse. Das haben ja frühere Studien auch gezeigt.
Für den Alltag und die Ernährungs-Beratung sind die Studien interessanter, in denen die
Menschen kalorienmäßig nicht begrenzt waren und sich satt essen konnten (sog. „ad
libitum“ Ernährung). In diesen Studien zeigt sich ein deutlicher Vorteil für
Low Carb, d.h. bessere Gewichtsreduktion, bessere Stoffwechselparameter (z.B. Insulinresistenz).
Weil eine Kalorie aus Kohlenhydraten eben anders wirkt als eine Kalorie aus
Fett und Eiweiß. Das ist ein wichtiger Unterschied für Menschen, die im Alltag abnehmen
wollen (und nicht eingebettet sind in ein strenges Studien-Design, am besten stationär mit rationiertem Essen). Daher setzen wir seit Jahren auch moderate Low Carb Konzepte ein wie z.B. LOGI. Ketogene Ernährung ist eine Extremform und langfristig meiner Erfahrung nach
nur für Wenige ein Thema.
Wir haben über die Jahrzehnte viele adipöse Patienten untersucht
und behandelt. Wir messen dabei auch Insulinresistenz (HOMA-Index) und
Fettleber, das sind ja Massenphänome und dann gelten etwas andere Gesetze in
Bezug auf den KH-Stoffwechsel. Die offiziellen DGE-Empfehlungen („Reichlich
Kohlenhydrate“ für Alle) sind da eher suboptimal, um es mal ganz zurückhaltend zu
formulieren.
Mit Kalorienreduktion und! moderatem Low Carb (LOGI) sind die
Erfolge am besten, objektiv (Labormessungen) und subjektiv bzgl. Wohlbefinden
und Durchhaltevermögen.
Gabz wichtig ist mir zu unterscheiden, um welchen Menschen es
geht: Couch potatoe mit Insulinresistenz und Fettleber oder eine sportlich-aktive
Stoffwechsel-gesunde Person. Das sind Welten und ohne diese Informationen kann
ich mich doch gar nicht sinnvoll mit der Frage beschäftigen, welche Ernährung
am besten ist.
Es ist natürlich immer ein multifaktorielles Geschehen (Bewegung,
Stress, Hormone) und wir suchen halt lieber nach monokausalen Erklärungen (Lustig/Zucker,
Taubes/KH, Davis/Weizen…).
Nach 15 Jahren Arzt für Ernährungsmedizin kann ich den Patienten viele Anregungen geben aber langfristig darf jeder seine persönliche Strategie finden, die zu ihm und seinem Leben passt. „One fits all“ gibt es nicht.
Das Tolle ist, ich kann die Effekte messen. Und Ergebnisse lügen nicht. Ich
finde das ganze Thema hochspannend aber Ernährungs-Dogmatismus einiger Experten und „Essen als Ersatzreligion“ bringen uns nicht weiter.
Wir sollten die Menschen motivieren: Die Volkskrankheit Diabetes
mellitus Typ 2 („Alterszucker“) ist zu 90% vermeidbar durch gesunde Ernährung
und Lebensstil und auch viele langjährige Diabetiker können Ihre Krankheit
wieder loswerden, wenn sie sich von dem ganzen Ernährungsmüll verabschieden,
der die Supermarktregale füllt. Das sehe ich in meiner Praxis regelmäßig.
„Egal wie der Vater einer Krankheit heißt, die Mutter heißt
sehr oft falsche Ernährung“.
Beste Grüße Niels (www.Ernaehrungsmediziner.de)
Hey Niels,
vielen Dank für deinen guten Input.
Mir persönlich, das habe ich ja auch schon in anderen Kommentaren erwähnt, geht es nicht um die compliance bzw. um sustainability – das steht auf einem anderen Blatt und da bin ich auch voll bei dir.
Mir geht es darum, dass a) von verschiedenen Seiten Konzepte total durcheinander geworfen werden und b) das, was ausschließlich durch KH verursacht sein soll, sehr komplex und multifaktoriell ist.
Zu a) Wie bereits angedeutet, fängt es schon damit an, dass überhaupt nicht zwischen Haushaltszucker (Saccharose) und langen Glukose-Polymeren unterschieden wird. Konkreter: Man kann nicht alle Kohlenhydrate und alle Kohlenhydratquellen „zusammenfassend“ bewerten. Darüber hinaus ist nicht bewiesen, dass KH per se krank und dick machen, wenn eine KH-Reduktion zum Gewichtsverlust führt. Das ist immer noch ein großer Unterschied. Oder: Wer von einer KH-Reduktion zum Abnehmen profitiert, muss nicht sein Leben lang auf KH verzichten, weil sich die metabolische Situation gravierend ändert, wie du sicher schon tausendfach erlebt hast. Es sind einfach so viele Konzepte, durcheinander geworfen werden und dann zu „Werbezwecken“ stilisiert.
Zu b) Ich habe ein Problem damit, wenn versucht wird, ganze Systeme auf einen Faktor herunter zu brechen. Beispiel Insulinresistenz: Natürlich ist es ungünstig, in dieser Stoffwechselsituation auch noch Glukose on top zu geben. Aber auch nur, damit das biochemische Chaos, das sich aus einem Überschuss aus Entzündung, Fettsäure und (später) Blutzucker ergibt, nicht noch zu verstärken. Dennoch sind die eigentlichen Ursachen bzw. „Teil-Gründe“ sicher vielfältig, wie von uns hier …
http://aesirsports.de/…/insulinresistenz-wie-sie…/ oder u. a. hier: https://genetisches-maximum.de/…/eisen-fettverbrennung-diabetes…/ oder hier: https://genetisches-maximum.de/…/carnitin-reguliert-deinen…/ oder hier: https://genetisches-maximum.de/…/ohne-inositol-keine-insulin…/ oder hier: https://genetisches-maximum.de/2015/08/omega-3-blutfettwerte-insulin/ oder hier: https://genetisches-maximum.de/2015/07/gesaettigte-fettsaeuren-gesund/
… beispielsweise angesprochen.
Darüber hinaus lernt man immer mehr, wie stark das Darm-Mikrobiom die Stoffwechselgesundheit reguliert. Ernährungsformen, die Kohlenhydratanteile reduzieren, reduzieren oft (nicht immer, auch abhängig vom Grad der KH-Reduktion) die fermentierbare KH-Vielfalt – es weiß keiner, wie sich das nachhaltig und langfristig auf den Host auswirkt.
Spannende Arbeiten:
http://www.nature.com/nrendo/journal/v11/n10/full/nrendo.2015.128.html
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3735932/
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23652017
http://diabetes.diabetesjournals.org/content/64/7/2398.full
Beste Grüße!
Hi Chris, ja genau, da bin ich voll bei Dir. Ich finde es sehr wertvoll, dass du als Biochemiker viel mehr in die Details gehst und auch besser differenzierst als die meisten Anderen. Sehr wertvoll!
Sportliche Grüsse Niels
Das wurde bereits zur Kenntnis genommen.
Julia hat in einigen Punkt sicher recht – mein Post war recht polemisch. Allerdings war es keine offizielle Stellungnahme und auch keine offizielle Kritik. Das hier ist ein Blog und nicht jeder Blog-Post musst außerhalb von Diskussionen auf fachlicher Ebene („Wie wirken Kohlenhydrate?“) formale Richtlinien erfüllen.
Es wird, wie von dir in deinem Folgepost angedeutet, auch keine Diskussion geben, weil in diesem und in vielen weiteren Artikeln bereits alles gesagt wurde – mein Blog-Artikel hat die Reaktion ja sogar vorhergesagt.
Hall z. B. geht recht genau auf die von Julia angesprochenen Punkte („KD erhöht Thermogenese“) ein. Auch ist „a calorie is a calorie“ (für den „Verbraucher“) gleichbedeutend mit der Insulin-Hypothese, denn die Insulin-Hypothese sagt ja gerade, dass eine Kalorie eben nicht eine Kalorie ist. Darüber hinaus gab es von uns keine Verlinkung zum Abstract, weil es gar keinen offiziellen Abstract gibt und eine Stellungnahme eines Studienleiters für mich deutlich mehr Aussagekraft hat als ein Abstract, der von Leuten gelesen wird, die vielleicht keine Ahnung haben (Kontext usw.), was natürlich doppelt ungünstig ist, wenn die Vollstudie noch nicht vorhanden ist.
Es sind noch einige andere Punkte, die ich sicher ansprechen würde – aber, wie Julia richtig darstellt, habe ich weder die Zeit, noch die Lust daraus ein großes Spektakel werden zu lassen.
Wie gesagt, mir sind die Hall-Ergebnisse egal, mir ging es um fachliche Aspekte. Metabolisch Kranke, die von Julia angesprochen werden mit ihrem Blog, würden von vielen Interventionen profitieren, die nichts mit einer KD zu tun haben. Insofern ist es zwar lobenswert, dass Julia aufklärt, auf der anderen Seite aber entsteht der Eindruck, dass metabolische Krank nur von einer KD profitieren würden. In meinem Artikel habe ich aber angesprochen, dass das fachlich nicht richtig ist, da es eben nicht auf die Ernähungsform, sondern auf den Ernährungsstatus ankommt.
Wie gesagt: Zieht man die Polemik vom Inhalt ab, wurde bereits alles gesagt.
Viele Grüße!
Alles klar. Danke für die mal wieder sehr ausführliche Antwort. Mittlerweile denke ich das LC als „Einstieg“ in eine ernährungsbedingte Lebensveränderung sinnvoll ist. Das ist zumindest meine persönliche Meinung und Erfahrung. Dank der Beiträge von den Internetbloggern wie Edubily, Sache Fast, Felix von Urgeschmack und auch dein Handbuch haben mich auf den „richtigen“ Weg geschickt. Zumindest glaube ich das es zur Zeit richtig ist mit viel Bewegung, Abwechslung in der Aufnahme von Makronährstoffen und Stressmanagment. Wobei das minimieren von Stress ein sehr unterschätzter Faktor ist und teilweise verdammt schwer ist umzusetzen.
Lese weiterhin gerne deine Artikel und in deinem Blog, weitere Puzzleteile in meinem Leben.
LG
Giuseppe
1. Die Menge macht das Gift. Wir fressen zuviel Kohlenhydrate. Punkt.
2. Image Zuckerindustrie 2016 = äquivalent zu: Image Tabakindustrie 1960
3. Japaner haben die höchste Lebenserwartung weltweit.
Bring das in einen sinnvollen Zusammenhang, Schlaubi Schlumpf.
1. Das ist deine Meinung.
2. Hinter jedem Nahrungsmittel steckt eine Industrie. Schade, dass sich manche Menschen auf einen Baum einschießen, ohne zu merken, dass sie in einem Wald stehen.
3. Wie erläutert.
Zu guter Letzt: Achte auf deine Formulierung, sonst werden folgende Beiträge nicht mehr aktiviert.
gut, da ich annehme, dass man sich hier bei dubily sehr gut auskennt was stoffwechselprozesse angeht, wie erklärst du denn den signifikanten anstieg von übergewichtigen menschen – insbesondere junger menschen – als weltweites phänomen der letzten 30jahre in vor allem westlich geprägten gesellschaften?
Diesbezüglich muss man keine großen Abhandlungen schreiben.
Metabolische Entgleisungen ergeben sich zum Großteil aus der Fettmasse und den daraus resultierenden zirkulierenden Fettsäuren plus niedriggradige Entzündungsreaktionen.
Das heißt: Der wesentliche Punkt ist, das eigene Körpergewicht (bzw. die Fettmasse) niedrig zu halten.
Es gibt viele Untersuchungen, die zeigen, dass viele natürlich lebende Populationen, ungeachtet ihres Kohlenhydratkonsums, Stoffwechselentgleisungen ernten, wenn sie unsere Lebensweisen übernehmen.
Stephan Guyenet konnte in seinen Untersuchungen zeigen, dass Ratten nicht fresssüchtig oder krank werden, wenn sie Kohlenhydrate essen (Rattenernährung: 70 % Maisstärke), sondern dann, wenn sie Junkfood essen „dürfen“. Die lieben das Zeug genauso wie wir Menschen.
Heißt konkret: Bevor jemand das Kohlenhydrat per se verurteilt, sollte er genauestens überprüfen, welche und wie viele Confounder es gibt. Das fängt bei Zuckerzusatz an, geht weiter über Transfette hin zur Kombination von „metabolisch ungünstig wirkenden“ Fettsäuren wie Palmitinsäure plus hochraffinierte Kohlenhydrate.
Doch noch einmal zum Eingangspunkt: Das eigene Experiment wird zeigen, dass es nahezu unmöglich ist, sich an Reis und Kartoffeln zu überfressen bzw. zu mästen. Hinzu kommt die Tatsache, dass man – oft ignoriert – mit jeder Art von Ernährung abnehmen kann, solange gewisse Rahmenaspekte gegeben sind. Das erfahren gerade Hunderte von Individuen in den USA, wo es „potato hack“ (google!) heißt.
Wer unseren Blog hier kennt (was viele Kommentarschreiber nicht tun), der weiß, dass es komplett vermessen ist, für komplexe Probleme einen Verursacher ausmachen zu wollen.
Noch einmal: Wer mit einer Low-Carb-Ernährung abspeckt, der wird seine metabolische Situation genauso verbessern wie jemand, der sie mit einer Reis-Diät (Dr. Kempner!) wiederhergestellt hat.
Viele Grüße
„schlaubi schlumpf“ – ernsthaft, gargamel?
zu 1. : wer ist „wir“ ?
Der Vollständigkeithalber hier die Antwort des „Influencers“:
http://paleolowcarb.de/reaktion-auf-edubily-artikel-der-genickbruch-fuer-low-carb-diese-studie-solltest-du-kennen/
Hi Chris,
was ist mit Dir denn los? Zu tief in die Nudel geguckt? Hall als Aufhänger und dann über sonstwen schimpfen? ;) Auch ich hatte Low-Carb so verstanden, dass es uns vor dem Überfressen schützen soll. Das wird aber in der Studie gerade ausgeklammert durch die Kaloriengleichheit. (Übrigens auch Proteingleichheit.) Trotzdem ist es für die Wissenschaft gut, dass das mal geklärt wurde. Mir stößt mal wieder auf, dass Low-Carb unklar ist. WIMRE gehörte 40-30-30 auch mal dazu (Dein Naturvölkerdurchschnitt oder Sears). Strunz wirft das immer durcheinander und setzt gerne Keton = Low-Carb. Hast Du irgendwo dargelegt, was Low-Carb ist? Von mir aus kannst Du gerne mehr nach vorne gucken. Mir gefiel z.B. der Artikel „Warum brauchte der Steinzeitmenschen kein Arginin?“. Also warum brauchte er kein Magnesium? Wieviel Sport hat er gemacht? Sind alle in der Sippe jagen gegangen?
Viele Grüße
Jan
Hey Jan,
der Blog muss manchmal umfunktioniert werden, damit jeder sein Fett weg bekommt (im wahrsten Sinne des Wortes – oder auch nicht). :-)
Nein … Ich denke, manchmal ist es wichtig, komisch anmutende Verhaltensweisen anderer Menschen anzusprechen, auch wenn das als schimpfen wahrgenommen wird. Denn „nach vorne gerichtete Artikel“ helfen nicht immer.
Ich glaube nicht, dass jemals eine einheitliche Definition gefunden werden kann, eben weil so viele Faktoren eine Rolle spielen.
Low-Carb und Very-Low-Carb überschneiden sich eben auch oft. Wenn jemand Low-Carb isst (das ist für mich: Obst, Gemüse, Eiweiß, kaum Stärke, modert bis viel Fett), dann wird er oft ketogene Phasen erleben und vielleicht – unbewusst – oft eher eine Very-Low-Carb-Ernährung praktizieren. Insbesondere beim Durchschnittsbürger, dessen Fettgewebe noch so aktiv ist, wird Low-Carb oft eher Low-Carb-keto. Soll heißen: Ist ein bisschen schwer, klar zu definieren, ab wann wir von dem einen oder anderen sprechen.
Ich kenne eine Studie an Aborigines. Dort wurde ein Mg-Wert von 1,0 mmol/L gemessen, durchweg. Also entweder Messfehler oder hervorragende Blutwerte.
Ganz egal: Essentielle Stoffe sind und waren immer lebensnotwendig. Es ist auch in gewisser Weise eine romantische Vorstellung zu glauben, dass Steinzeitmenschen oder Jäger-und-Sammler immer bestens versorgt waren mit allem. Das beste Beispiel war ja gerade im Salz-Artikel genannt. Die Leute waren oft knapp (oder waren) am Salzmangel – das will sicher keiner haben.
Der Punkt mit dem Arginin war auch eher nicht, dass sie gar kein Arginin brauchen (brauchen sie!), sondern eher, dass die als so wichtig eingeschätzten NO-Werte hoch sind, auch ohne Extra-Arginin. Die Überschrift war daher eher ein Gag.
Die restlichen von dir genannten Fragen sind sicher spannend.
Noch zum Überfressen: Auch hier wird man sich ewig weiterstreiten. Wir könnten ja mal testen, wer sich alles an Reis oder Kartoffeln überfressen kann. Hier gibt es auch sehr schöne Studien, wenn auch nur an Ratten. Stephan Guyenet arbeitet daran. Wie bei uns Menschen: Die Tiere überfressen nur bei Junk-Food, Kekse, Chips, Schokoriegel, Cornflakes. Auch hier meine ich: Low-Carb ist sicher ein Tool. Ein anderes Tool wäre einfach: Junk-Food, Zucker etc.vom Speiseplan streichen. Oder, nach Jack LaLanne: When men made it, hate it :-)
Viele Grüße,
Chris
Guter Artikel. Allerdings: selbst wenn High Carb so gut ist wie Low Carb für Fettabbau – bei gleicher Kalorienzahl vermute ich (basierend auf meiner eigenen Erfahrung): das Erlebnis wird mit Low Carb deutlich angenehmer sein – mehr Energie, weniger Hunger. Dadurch auch außerhalb der Klinik besser umsetzbar und mehr „sustainable“ im Alltag. Dieser Aspekt wird vernachlässigt.
Zudem: wer hat Gewicht zu verlieren? Typischerweise Personen mit metabolischem Syndrom u.ä. – aus meinem N=1 Experiment kann ich zumindest nur berichten, dass meine morgendlichen (+ im 2-3 Stunden Rhythmus) Hungerattacken weg sind. Und dabei habe ich davor keineswegs zuckriges (im von Dir beschriebenen Sinne) Junk Food gegessen.
Hi Julian,
bin da absolut bei dir.
Das sind aber andere Fragestellungen und jede Ernährungsform hat zu einem jeweiligen Zeitpunkt seine Vor- und Nachteile und tatsächlich schwanken die Bedürfnisse ja sogar mehrmals am Tag, nicht nur über längere Zeiträume. Heißt: Vielleicht „braucht“ ein Körper (von einem beliebigen Subjekt) am Morgen 50-100 g Kohlenhydrate, über den Tag verteilt dann aber nicht mehr. Oder umgekehrt.
Wie auch immer: Es geht im Grunde genommen nur darum, gewisse Aussagen auf ihre Korrektheit hin zu überprüfen. Gäbe es also bei ketogenen Diäten irgendein Vorteil, der sich daraus ergibt, dass typische Ernährungsformen metabolische „Nachteile“ generieren (=> z. B. weniger Lipolyse, weniger ß-Oxidation etc.), dann sollte sich das in Studien auch zeigen. Das will hier gemacht werden.
Deine Fragen sind ebenfalls berechtigt und ich bin in den Punkten voll bei dir. Nur: Das wird aus dir und mir keine Ideologen machen.
Viele Grüße,
Chris
Hallo Chris,
50-100 g Kohlenhydrate, ok. Kein Problem. Die lauf ich oft vor der Arbeit noch weg… ;-) Nur, das machen die wenigsten…
(ich bin da ziemlich „strunzig“ unterwegs…)
Was mich interessiert, auch aus eigener Erfahrung, ist: Wieviel Stärke kann der „Durchschnittsmensch“ überhaupt aufspalten in Zucker? (Nur so nebenbei: ich bin Informatiker und hatte Biologie in der Oberstufe abgewählt, aber für Mathe- und Physik-LK hatte es gereicht. ;-) ) In der „Rohkostliteratur“ lese ich, dass dafür nur das Ptyalin im Speichel zur Verfügung steht. Und das auch nur in kleinsten Mengen. Das ist auch meine eigene Erfahrung aus meiner Rohkostphase: Auf jeden Fall hab ich mit 100 Gramm Spaghetti riesen Probleme. Also: Stärke ist mitnichten einfach nur Glukose, wie Du schreibst. Denn wenn ich Traubenzucker esse, spüre ich nix außer Energie. Wenn ich mir Nudeln zuführe, bin ich für mindestens einen Tag träge, saft- und kraftlos (und habe ein dermaßen großes Völlegefühl, dass ich mindestens einen halben Tag keine Freude mehr am Laufen habe…) Und das geht nicht nur mir so. Da brauche ich nur auf der Arbeit nach dem Mittagessen die Kollegen anzuschauen… Also was ist das mit der Stärke? Völlig unbedenklich? In jeder Menge? Könntest Du dazu bitte ein paar Sätze verlieren? 1000 Dank im Voraus.
Hi Robert,
deinem ersten Satz nach zu urteilen hast du eine falsche Vorstellung von der Verstoffwechselung von Kohlenhydraten. Man muss nichts „weglaufen“. Der Körper oxidiert genau das, was man ihm gibt. Und an dieser Stelle werde ich in den nächsten Wochen noch einmal die Frage hier aufgreifen, ob es überhaupt sinnvoll ist, „konstant Fettsäuren zu verbrennen“ – was erhofft man sich davon? Wir sind hier sehr körperbezogen geprägt, weil wir glauben, nur durch „eine konstante Fettverbrennung“ kann man schlank und gesund bleiben. Der große Irrtum beginnt schon damit, dass wir auch mehr Fett essen. Würden wir der Einfachheit halber mal bei einem Brennwert bleiben und sagen, der Zelle ist es wurschd was sie oxidieren darf, dann gäbe es solche Missverständnisse nicht.
Daher meine Gegenfrage: „Läufst du“ auch das gegessene Fett (Ei mit Butter und Speck und Co.) „vor der Arbeit weg“?
Der Durchschnittsmensch (wir reden von Europäern) kann nahezu die komplette (verdaubare) Stärke aufspalten, sogar im rohen Zustand (Kartoffeln!) – dazu gibt es nette Arbeiten. Auch „high starch populations“, das sind vor allem Europäer und Asiaten, haben deutlich mehr Amylase-Kopien im Vergleich zu „low starch populations“ (http://www.nature.com/ng/journal/v39/n10/full/ng2123.html). Wobei man klar sagen muss, dass die Variabilität (wie viele Amylase-Kopien hat jemand?) sehr hoch ist.
Nichtsdestotrotz würde ich daraus keine Schlüsse ziehen bezüglich Müdigkeit nach dem stärkereichen Essen. Das kann viele andere Ursachen haben, ein Beispiel wäre eine Gluten-Unverträglichkeit, aber das bezieht sich ja dann mitnichten auf alle Stärke-Quellen. By the way: Doch, doch. Aus chemischer Sicht ist Stärke ein reines Glukose-Polymer, mehr nicht.
Die Müdigkeit nach einer größeren KH-Menge kann gerade auch daher rühren, dass der Glukose-Stoffwechsel (genau wie der Fettstoffwechsel) nicht optimiert ist. Denn dadurch verschwindet die Glukose nicht schnell genug aus dem Blut. Auch Entzündungsreaktionen wären denkbar, die sich aus unserer verarbeiteten Industrienahrung ergeben, die oft ungünstige Fette und nicht die besten Kohlenhydratquellen enthält. Da denke ich z. B. an die Uni-Mensa, wo auf der Soße die Fettaugen schwimmen und die in Fett getränkten Spätzle. Dazu dann die sitzende, oft überhaupt nicht stoffwechseloptimierte Gesellschaft (hoher Körperfettanteil, eingeschränkte Insulin-Sensitivität und Co.) – also diese Menschen kann man nun wahrlich nicht als Vergleich nehmen und das dazugehörige Essen auch nicht. Ein Gegenbeispiel wäre: Kartoffeln mit Herring – auch Fett und Kohlenhydrate, aber wird eine komplett andere metabolische Reaktion hervorrufen.
Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass man auch größere Mengen Stärke vertragen kann – natürlich muss man dafür auch ein paar Sachen berücksichtigen, die hier im Blog schon oft erläutert wurden. Ein Kohlenhydratstoffwechsel passt z. B. nicht zusammen mit einem Ferritin-Wert von weit über 100.
Viele Grüße,
Chris
Edit: Grundsätzlich aber sollte jeder sein eigenes Optimum finden. Das liegt meiner Erfahrung nach aber in keinem Extrem. Weder zu viel, noch zu wenig von einer Sache.
Warum mehr „Energie“ und weniger „Hunger“ ?
Diese Bergriffe sind, mit Verlaub, in etwa so präzise wie „mehr schöne Frauen“ oder „weniger unsympathische Menschen“. ;-)
Wenn doch wir auf diesem Niveau wissenschaftliche Inhalte und auf – zumeist ja Chris‘ – Artikel besprechen, dann sollten wir doch auch versuchen zu Differenzieren.
Ich meine damit genau jenes, was Chris beim Begriff „Zucker“ oben anprangerte: genau jene vermischende Art der Begrifflichkeiten, die leider zu viel Verbreitung findet.
Kohlenhydrate geben im physikalisch chemischen Sinne eine Menge Energie.
Low Carb – falls zu Proteinreich und fettarm – „kostet“ Energie.
Das subjektive Gefühl von Energie durch einen – potentiell problematischen – Überhang von Stresshormonen (Cortisol, Nordadrenalin, Adrenalin, (in manchen Gehirnregionen auch Serotonin und Dopa)
Ist letztlich eine massiv den Stoffwechsel modulierende Situation.
Schaut man sich die von Chris beschriebene Blue Zones und das Essverhalten der dortigen sehr gesunden Menschen an, dann ist dies kein!! Zustand der dauerhaft angestrebt und durchgehalten wird.
Der Sättigungsmechanismus ist überdies in höchstem Maße komplex und sehr individuell, kann gänzlich unterschiedlich vermittelt werden und hängt ua auch von der Beschaffenheit der Darmflora zusammen die wiederum auch – durch Carbs tendenziell eher positiv – moduliert wird durch den Speisebrei.
So ist aber der Sättigungsmechanismus eine letztlich auch sehr hoch individuelle Mischung aus genetischen und Unweltfaktoren und daher sehr variabel.
Carbs können SEHR lange und nachhaltig sättigend sein (Insulin wirkt neurogastral eher stark sättigend €
Grüße !