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Der Stoffwechsel von vegan ernährten Kindern

Vegan ernährte Kinder tun mir leid. Während ich die Tage einen Newsletter zum Thema „Fürs Hirn essen“ geschrieben habe, und entsprechend darüber, wie wichtig für einen Menschen nährstoffreiche, gehaltvolle tierische Produkte sind, kam mir einmal mehr der Gedanke, was für arme kleine Würstchen vegan ernährte Kinder doch sind.

Die können gar nix für den Wahn ihrer Eltern. Und die Eltern, im Tunnel der Ideologie gefangen, denken offenbar nicht daran, was sie dem Kind möglicherweise antun – mit Blick auf das komplette Leben des Kindes!

Während wir es als moralisch verwerflich erachten, wenn Länder des ehemaligen Ostblocks ihre Kinder mit Nährstoffdefizienzen gezielt „formen“, also z. B. kleine Turnerinnen damit „erzeugt“, macht es uns hierzulande offenbar nichts aus, wenn Studien zeigen, dass vegetarisch bzw. vegan ernährte Kinder oft untergewichtig sind.

Neue Studie an vegan ernährten Kindern: oh je!

Erst 2021 erschien eine sehr sehr gut gemachte Arbeit aus Finnland, die sich mit dem Stoffwechsel von seit der Geburt an vegan ernährten Kindern (median: 3,5 Jahre alt; n=40) befasst und ihn mit dem von omnivor bzw. vegetarisch ernährten Gleichaltrigen vergleicht. Die Ergebnisse sind mehr als beeindruckend, meines Erachtens besorgniserregend. Die Studie titelt:

Vegan diet in young children remodels metabolism and challenges the statuses of essential nutrients

Wenn man im Zusammenhang von kleinen Kindern und ihrer Ernährung schon von „remodelling“, also quasi Neu- oder Umgestaltung des Stoffwechsels spricht, wo doch bei Babys und Kleinkindern sonst alles präzise standardisiert ist … sollte man ganz, ganz genau hinhören.

Hier mal kurz zusammengefasst:

  • Die Nahrungszufuhr von Cholesterin geht bei vegan ernährten Kindern gegen 0 und die Cholesterin-Konzentration im Blut war nur circa halb so hoch wie jene von normal ernährten Kindern. 

Erwachsene wird das sicher freuen. Veganismus senkt den Cholesterin-Spiegel teilweise dramatisch. Die Studie schreibt:

Diese Daten legen nahe, dass die endogene Cholesterinbiosynthese keine kompensatorische Reaktion auf einen Mangel an Cholesterin in der Nahrung zeigt.

Kinder allerdings sind unbedingt angewiesen auf Cholesterin, denn das kleine Gehirn muss noch massiv wachsen und circa 1/5 des kompletten Cholesterinbestands des Körpers findet man im Gehirn. Hintergrund ist, dass die Myelin-Ummantelung von Nervenfasern einen besonders hohen Cholesterinanteil enthalten, was letztlich schnelle Reizweiterleitung gewährleistet.

Cholesterin
Wer braucht schon Cholesterin im Blut? 

Die Autoren legen dar, dass „Cholesterin außerdem aufgrund seiner wichtigen Rolle bei der Synthese von Zellmembranen, Steroidhormonen und Gallensäuren für das Zellwachstum, die Zellteilung und die Entwicklung der physiologischen Systeme von wesentlicher Bedeutung“ sei.

  • Die Gallensäurebiosynthese war jener Stoffwechselweg, der sich am deutlichsten zwischen den beiden Ernährungsgruppen unterschied.

Auffällig bei den vegan ernährten Kindern war, dass man vorwiegend primäre Gallensäuren fand – so, wie man es typischerweise bei Kindern beobachtet, die fasten (müssen). Das ist zwar allgemein ein guter Marker, interessanter finde ich allerdings, was man hier zusätzlich beobachten konnte.

Die Gallensäuren waren mit weniger Taurin konjugiert. Bekannt ist, dass vegane Ernährung kaum Taurin enthält (kommt hauptsächlich in Tierprodukten vor) und der Körper sehr schlecht darin ist, Taurin selbst zu bilden. Heißt, wenig konjugiertes Taurin zeigt klar an, dass die Kinder wenig Taurin abbekommen.

Und das vor dem Hintergrund, dass „Taurin eine ’sehr essentielle‘ Aminosäure“ (essentiell = unbedingt notwendig, um gesund zu sein) ist. Wer nicht weiß, wie wichtig Taurin für den menschlichen Körper ist, der kann ja hier, hier, und hier mal nachlesen bei uns.

Welche physiologischen Folgen solche Befunde bei Kindern haben, die sich streng vegan ernähren, muss noch untersucht werden.

  • Deutlich niedrigere Vitamin-A- und Vitamin-D-Spiegel bei vegan ernährten Kindern. 

Jetzt wird’s spannend. Mit Blick auf Vitamin D halten wir’s kurz: Trotz mengenmäßig gleicher Vitamin-D-Zufuhr, trotz der Tatsache, dass die Blutproben über den Sommer entnommen wurden und trotz ausgiebiger D-Supplementierung lag der Vitamin-D-Spiegel bei den vegan ernährten Kindern deutlich unter dem von den normal oder vegetarisch ernährten Kindern. Tatsächlich erreichten vegan ernährte Kinder gerade so die Mangelgrenze von 50 nmol/L.

Woher das kommt, wissen die Autoren nicht. Das könnte daran liegen, dass in vielen veganen Produkten, die mit Vitamin D angereichert sind, lediglich das weniger bioaktive Vitamin D2 beigesetzt wird. Meine Erklärung wäre, dass die vegane Ernährung den Vitamin-D-Stoffwechsel fehljustiert und die Werte daher nicht mehr stimmen.

Vitamin D
Klar zu sehen: Den Veganern fehlt es an Vitamin D. 

Thema Vitamin A ist besonders spannend, denn der komplette Vitamin-A-Haushalt bei vegan ernährten Kindern erscheint durcheinander geraten. Er erreicht zwar augenscheinlich noch keinen Mangel-Status, aber sowohl das prinzipielle Vitamin-A-Transportprotein RBP als auch das zweitwichtigste Vitamin-A- und Thyroxin-Transportschiffchen Transthyretin waren in der Veganer-Gruppe stark vermindert.

Vitamin A Status
Klar zu sehen: RBP und Transthyretin sind vermindert, der Vitamin-A-Status allgemein ist bei vegan ernährten Kindern deutlich schlechter als bei normal oder vegetarisch ernährten Kindern. 

Transthyretin transportiert Vitamin A und das Schilddrüsenhormon Thyroxin – es spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Versorgung des Gehirns mit diesen Stoffen. Manche Erkrankungen, etwa Schizophrenie, sind mit verminderten Transthyretin-Spiegeln assoziiert, was nahelegt, dass das Gehirn in diesen Fällen nicht optimal mit Schilddrüsenhormonen versorgt ist.

Beide Proteine werden in der Leber gebildet. Ein Mangel dieser Proteine im Blut zeigt an, dass die Synthese nicht stimmt. Das passiert häufig bei niedrigem Vitamin-A-, Zink- und Eisengehalt der Leber sowie mangelhafter Protein- und Energiezufuhr. Da die Autoren aber keinen Zink- bzw. Eisenmangel bei den vegan ernährten Kindern feststellen konnten und man Vitamin A im Blut nicht misst (= keine Aussagekraft), machten sie (fälschlicherweise) folgenden Umstand dafür verantwortlich:

  • Vegan ernährte Kinder zeigen ein grausiges Bild der essentiellen Aminosäuren. 

Bilder sagen ja bekanntlich mehr als Worte, insofern reicht ein Blick auf die linke Seite, um zu sehen, dass die allermeisten essentiellen Aminosäuren, vor allem die verzweigtkettigen essentiellen Aminosäuren, die s. g. BCAAs (Leucin, Isoleucin, Valin), deutlich von der typischerweise gemessenen Altersnorm abweichen – und das obgleich der prozentuale Anteil von Eiweißkalorien an der Gesamtkalorienzufuhr sich nicht unterschied.

Aminosaeuren
Man sieht deutlich, dass die Versorgung mit essentiellen Aminosäuren sehr schlecht ist bei vegan ernährten Kindern. 

Das ist schlecht, weil genau jene Aminosäuren gebraucht werden, um Proteine in der Leber aufzubauen. Dass das kein kleiner Nebenbefund ist, sondern wirklich einen Protein- bzw. Aminosäuren-Mangel darstellt, sieht man daran, dass wichtige Bluteiweiße wie RBP oder Transthyretin vermindert sind. Allerdings bekommen die vegan ernährten Kinder ja kein Vitamin A zu essen, sondern nur ß-Carotin, was alleine die verminderten Spiegel erklärten könnte.

Die nichtessentiellen Aminosäuren Arginin, Glycin und Prolin scheinen dahingegen überrepräsentiert zu sein. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob es sich dabei wirklich um eine gute Zufuhr dieser Aminosäuren handelt oder ob sich der Körper selbst verdaut und daher die typischen Kollagen-Aminos Glycin und Prolin erhöht sind.

Unsere Beweise für niedrige Transthyretin- und essenzielle Aminosäurespiegel fordern dazu auf, bei Kindern im Wachstum, die sich vegan ernähren, auf die Qualität des Nahrungsproteins zu achten, und nicht nur auf die proportionale Zufuhr in Prozent der Energie.

  • Hohes pflanzliches Omega 3, wenig DHA für die Hirnentwicklung

Und weil das alles noch nicht reicht, liefert diese Studie hier ein weiteres trauriges Bild: Trotz hoher Zufuhr der pflanzlichen Omega-3-Fettsäure alpha-Linolensäure (gut), zeigt sich eine deutliche Unterversorgung von DHA, die gerade für die Hirnentwicklung so entscheidend ist. Da hat es dann wohl auch an einem guten DHA-Algenpräparat gefehlt.

Die Autoren zeigen sich jedoch milde und merken lediglich an:

DHA und aktives Vitamin A sind jedoch beide wichtig für das Sehvermögen (Lien & Hammond, 2011), und der niedrige Status von beiden bei Kindern kann Anlass zur Sorge um die Gesundheit des Sehvermögens geben.

Sehvermögen. Ja dann… :-)

Was bleibt?

Man kann es nur wiederholen. Tierprodukte sind essentiell, speziell für Heranwachsende. Unser Genom ist voller Genvarianten, die in einer Umwelt entstanden sind, in der es normal war, Tiere zu essen. Genau das sieht man beispielsweise am so schlechten Vitamin-A-Status (Leber!), an der mangelhaften Aminosäurenversorgung (Fleisch!), an der schlechten Taurin- und DHA-Versorgung (Fisch!) – und zu allem Übel kommt hinzu, dass das arme Gehirn vermutlich nicht mal genug Cholesterin abbekommt.

Und genau dieses Bild habe ich dann im Kopf. Depressive, immunschwache, nicht-robuste vegane Eltern, die sich meisten für besonders woke und aufgeklärt halten … und ein kleines, zierliches, niedliches, in Wahrheit unterentwickeltes Kleinkind, das sich nicht mitteilen kann, sich aber ganz bestimmt fühlen wird, wie eine malträtierte Laborratte. Für mich ist das pervers. Tut mir leid.

Wer diese Ergebnisse lesen und deuten kann, muss zum Schluss kommen, dass das fast an Kindesmisshandlung grenzt. Und dieses Menschen-Genom freut sich so über tierische Produkte, dass „selbst der Teilzeitkonsum von lakto-ovo-vegetarischen Produkten in einer ansonsten streng veganen Ernährung das Risiko eines Nährstoffmangels bei Kindern erheblich verringern kann.“

Alles in allem kommen die Autoren zu folgendem Schluss:

Unsere Daten über einen niedrigeren Status mehrerer Biomarker bei veganen Kindern im Vergleich zu Omnivoren, bei einer relativ geringen Anzahl von Studienteilnehmern, erfordern größere Studien, bevor eine vegane Ernährung im frühen Kindesalter als gesunde und vollwertige Ernährung für Kleinkinder empfohlen werden kann, trotz ihrer vielen gesundheitsfördernden Wirkungen bei Erwachsenen.

Amen.

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

6 comments On Der Stoffwechsel von vegan ernährten Kindern

  • „Die aktuelle Literatur legt nahe, dass eine gut geplante vegane Ernährung mit Nahrungsergänzungsmitteln wahrscheinlich die empfohlenen Mengen an kritischen Nährstoffen liefert, um eine normale Zunahme von Größe und Gewicht bei Kindern zu gewährleisten, und in einigen Aspekten vorteilhaft sein kann.“

    Na also.

  • Vielen Dank für den Artikel, Chris.
    Man ahnt es ja schon, denn schon für Erwachsene ist vegane Ernährung eine komplexe Angelegenheit. Aber die Auswirkungen auf Kinder entsetzen mich einfach nur.
    Verstehe nicht, wie man seinen Kindern sowas antun kann. :-(
    Danke für deine Arbeit und dass du komplexes Fachwissen für mich Laien verständlich aufbereitest.

    LG Alexandra

  • Sarkastischer Kommentar/Frage von meiner Wenigkeit:
    Meiner Meinung nach sollte man bei solchen Studien immer umfangreich checken wie fit die Muskulatur der Kiddies ist und wie aufgeweckt und happy die sind.
    Wenn der Körper durch die vegane Ernährung schon bestimmte körperliche und charakterliche Merkmale wegtriagiert…
    klar haben die dann am Ende „keinen Zink-, Eisen- oder sonstwas Mangel“.

    Was meinst du dazu? Ist das Realistisch das durch ernährungsbedingte hormonelle Verschiebungen bestimmte Mängel (nach Standartkonvention) nicht auftreten, obwohl die Zufuhr eigentlich ne Katastrophe ist? Könnte das bei dieser Studie im Zusammenhang mit Zink und Eisen zum Beispiel eine Rolle spielen?

    • Ja, die augenscheinliche Gesundheit spielt eine wichtige Rolle. Normalerweise hat man ein gutes Gespür dafür, ob Kinder agil und gesund oder eher nicht. Dazu gehören viele Parameter, die man halt in Studien nicht erfassen wird.

      Ich weiß nicht, ob die hier in der Studie einen Zink- oder Eisenmangel hatten. Das wurde gar nicht richtig untersucht. Blutwerte sind meistens nur korrelativ und vieles kann man im Blut überhaupt nicht messen. Man hätte beispielsweise mal den Blutzellgehalt untersuchen können.

      Was ich aber prinzipiell an der Studie mag, ist, dass die eben einen Schritt weitergegangen sind und sich wirklich mal Profile angeschaut haben, nicht nur einfache Blutwerte.

      • Wäre es auch sinnvoll die Mitochendrienzahl/dichte, z.B. in Muskelzellen, zu messen?
        Wäre sowas für Studien dieser Art praktikabel?

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