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Einige Wege führen nach Rom

Im Volksmund heißt es, „Viele Wege führen nach Rom“. Gemeint ist damit, dass es oft nicht die eine richtige Lösung, quasi die eine Autobahn oder die Via Appia ;-) gibt, sondern dass verschiedene Wege zur Lösung führen.

mTOR/AMPK-Verhältnis entscheidet

Wenn es um unsere Gesundheit geht, kennen wir mindestens acht, neun Ansätze, die vielversprechend sind und die man schlicht auf dem Schirm haben sollte. Dazu gleich mehr.

Was man mit Gesundheit im Allgemeinen meint, haben wir schon oft genug beschrieben. In der Sprache der Biochemie ist es „das optimale Verhältnis zwischen mTOR (Anabolismus) und AMPK (Katabolismus)“ – bedeutende Zellschalter, die im Wesentlichen … unsere Gesundheit steuern.

mTOR vs AMPK
Um krank zu werden (viel mTOR) muss man sich Mühe geben. Das fällt uns in der modernen Welt relativ leicht. Um gesund zu werden und zu bleiben (viel AMPK), muss man sich auch ein bisschen anstrengen ;) (Anmerkung: Es hat keinen speziellen Grund, warum ich diese Menschen auf dem Foto ausgewählt habe.)

Uns Menschen in westlichen Nationen fehlt häufig AMPK. Denn ein aktives AMPK ist der einzige Weg, der uns gesund alt werden lässt. Alt werden geht heute dank Medikamenten schon relativ gut. Gesund sind wir aber alles andere. Ein Blick ins Altersheim oder auf die Innere Medizin im Krankenhaus reicht, um zu wissen, von was wir sprechen.

Freilich: Ohne mTOR und Anabolismus geht es auch nicht. Versteht man. Wenn im Alter das Gehirn abdankt, weil die Nerven nicht mehr ordentlich wachsen wollen, dann wäre Anabolismus mehr als gewollt, gar nötig. Hatten wir hier mal beispielhaft skizziert neulich.

Einige Wege führen nach Rom

… bzw. zur Gesundheit. Folgende sind uns bekannt:

  • Kalorienrestriktion

Quasi die Urvariante. Der Grund, warum wir überhaupt wissen, dass man die Alterung verlangsamen kann. Rhesus-Affen, denen man 20-40 % der Kalorien wegnimmt, leben länger und sind noch im Alter sehr fit und gesund. Funktioniert sogar im Fadenwurm und in jedem anderen Organismus, den man studiert hat. (Mehr dazu hier.)

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Kalorienrestriktion funktioniert in jedem Organismus, der bis untersucht wurde. 
  • Temporäre Kalorienrestriktion bzw. hoher (akuter) Energieverbrauch

Nennt sich Sport. Nennt sich Kälte-Exposition. Macht in Studien gesund. Und möglicherweise alt. (Mehr dazu hier.)

  • Ballaststoffe // manche Pflanzenstoffe

Ballaststoffe lassen über die Fermentation durch Darmbakterien kurzkettige Fettsäuren entstehen. Die aktivieren AMPK. Macht gesund. Und möglicherweise alt. Manche Pflanzenstoffe können AMPK bzw. Up- oder Downstream-Ziele davon direkt aktivieren. Das war die Kernerkenntnis von David Sinclair mit seiner Forschung um den Wunderstoff aus der roten Traube, Resveratrol. (Mehr dazu hier und hier.)

  • Fasten

Fasten aktiviert genau die Zellschalter, die auch bei der Kalorienrestriktion aktiv werden. Funktioniert offenbar so gut, dass man nicht dauerhaft seine Kalorien einschränken muss. Dieses Programm heißt dann alternierendes Fasten bzw. intermittierendes Fasten. Wir nennen das immer „mit Kalorien spielen“, weil es egal ist, wie du Kalorien einschränkst – die Hauptsache ist, dass du ab und zu mal weniger isst. (Mehr dazu hier.)

  • Ketose bzw. ketogene Ernährung // niedriges Insulin

Scheint das Fasten in Teilen zu mimen. Eine ordentlich durchgeführte ketogene Ernährung ist meistens die sanftere Variante der Kalorienrestriktion. Denn bei der ketogenen Ernährung werden häufig ganz automatisch weniger Kalorien zugeführt – ohne zu hungern. Das dauerhaft niedrige Insulin aktiviert AMPK und hemmt mTOR. Das ist gut und macht gesund. Fraglich ist, ob man das sein Leben lang so machen will. Denn dafür zahlt man in der Regel einen Preis (z. B. einen kaputten Glukose-Stoffwechsel). (Mehr dazu hier.)

  • Eisen-Restriktion // Polyphenole // Oxidationsresistenz

Viele Polyphenole bzw. andere Pflanzenstoffe, z. B. Resveratrol (rote Trauben), EGCG (Grüntee) oder Curcumin (Kurkuma), sind entweder natürliche Eisen-Chelatoren oder hemmen die negative Wirkung von Eisen-Ionen auf den Körper – daher machen sie in Versuchen gesund.

Denn: Im Laufe des Lebens scheint sich Eisen im Körper oder in bestimmten Geweben anzureichern. Eisen ist jedoch ein stark redoxaktives Metall, das über die bekannten Fenton- und Haber-Weiss-Reaktionen die Entstehung von starken Oxidantien im Körper katalysiert. Und Oxidation macht alt und krank.

Darüber hinaus ist Eisen offenbar essentiell dafür, dass mTOR überhaupt aktiv werden kann. Studien zeigen, dass Eisen-Chelatierung, sprich das künstliche Senken vom Eisengehalt der Zellen via Medikament, mTOR hemmt und AMPK aktivieren kann. Eisen gilt als „unterschätzter Faktor bei der Alterung“ , obwohl Studien nahelegen, dass viele Interventionen, die das Leben verlängern, auch den Eisengehalt des Körpers senken.

Viele lebensverlängernde Maßnahmen wie Rapamycin, Kalorienrestriktion (…) lassen sich durch ihre Auswirkungen auf die Eisenabsorption, -ausscheidung und den Eisenstoffwechsel erklären.

Eisen lässt sich aber auch Senken durch Fleischabstinenz oder Aderlass bzw. Blutspende. Zudem lässt sich eine Oxidationsresistenz aufbauen, z. B. indem man relativ wenige mehrfach ungesättigte Fettsäuren (die relativ zügig oxidieren) zuführt oder Oxidation z. B. durch Vitamin E (Antioxidans) bremst. (Mehr dazu hier und hier.)

  • Methionin-Restriktion

Haben wir hier erläutert. Methionin-Restriktion steht stellvertretend für Protein-Restriktion. Das aktiviert potent die Autophagie und hemmt mTOR. Beides zusammen sind starke Mechanismen, um Alterung vorzubeugen. Jedenfalls in Tierexperimenten. Zumindest in ebendiesen Tierexperimenten wirkt eine Ernährung mit viel Glycin genauso gut. Kollagen enthält viel Glycin und wenig Methionin.

  • Restriktion von Tierprodukten

Ein ganz neues Feld, vor allem ins Spiel gebracht von Langlebigkeitsforscher Valter Longo, sind Tierprodukte. Tatsächlich scheinen Tierprodukte allgemein Anabolismus zu fördern. Weiß man von Milchprodukten. Die scheinen via miRNAs die AMPK-Aktivität direkt zu hemmen. Aber auch Cholesterin, Arachidonsäure, Phosphatidsäure/Phospholipide, das enthaltene Eisen, viel Zink, die essentiellen Aminosäuren, Carnitin und Co. – eigentlich die Stärken von Tierprodukten – erhöhen den Anabolismus des Körpers. Longo meint: Umgekehrt, eine Ernährung, die arm an Tierprodukten ist, mimt das Fasten, weil es die mTOR-Aktivität senkt und die AMPK-Aktivität erhöht. Gut möglich.

Mir würden sicher noch einige mehr einfallen… aber das soll als Überblick erst mal reichen.

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Dietary restriction als großer Übergriff, zu dem Kalorienrestriktion an sich gehört, aber auch Kalorienmanipulationen wie intermittierendes Fasten oder Aminosäuren-Restriktion (z. B. Methionin). Auch Ballaststoffe („Fiber“) haben einen positiven Einfluss auf Gesundheit und Alterung. (Quelle

Viele Ansätze funktionieren

Wenn man jetzt mal etwas rauszoomt, wird man verstehen, dass das auf Makroebene völlig verschiedene Ansätze sind. Beispiel:

  • Selbst wenn jemand viele Tierprodukte isst, könnte er ganz leicht wenig Eisen zuführen oder über Vitamin E beispielsweise Oxidation bremsen. Alterung möglicherweise verlangsamt.
  • Man könnte ketogen leben, ganz ohne Einschränkung. Alterung möglicherweise verlangsamt.
  • Man könnte jeden Ernährungsansatz wählen – wer ab und zu mit Kalorien spielt oder gar immer etwas kalorienreduziert isst, profitiert. Alterung möglicherweise verlangsamt.
  • Man könnte auch temporär weniger Tierprodukte oder mehr Pflanzen (= mehr Polyphenole) essen. Alterung möglicherweise verlangsamt.
  • Man könnte auch ganz banal nur mit Nahrungsprotein spielen. Da isst man halt einen halben Tag lang mal keine hochwertige Protein-Quelle oder ergänzt sogar nur mit Kollagen. Alterung möglicherweise verlangsamt.

Und genau auf dieser Basis „funktionieren“ verschiedene Ernährungsansätze, die allesamt gemeinsam haben, dass sie gesund machen können. Und genau aus diesem Grund überschneiden sich verschiedene Ernährungskonzepte inhaltlich.

Unser Ansatz kombiniert

Themen, die man bei uns im Blog im liest, werden also natürlicherweise Verbindungen zu anderen Konzepten haben.

  • Man wird bei uns Überschneidungen mit dem Veganismus finden. Beispielhaft sei hier genannt „Starch Solution“ von Dr. McDougall.
  • Überschneidungen mit dem Veganismus und mit uns hat beispielsweise ein Valter Longo, der Langlebigkeitsforscher mit seiner Longevity-Diät.
  • Wir sind inhaltlich aber auch nicht weit weg von Ray Peat, der sicher viele gute Ansätze hat. Bei einigen gehen wir aber nicht mit.
  • Ich schaue mir sehr genau die Anthropologie an, was primär Human-Genetik umfasst, aber auch alles andere tangiert, was unter anderem das Paläo-, Meso- und Neolithikum, aber auch die Antike bzw. das Mittelalter umfasst.
  • Vergessen darf man aber auch nicht, dass wir als Mensch eine Entwicklungszeit von circa drei Millionen Jahren hinter uns haben – Ideen und Konzepte von Cordain, Boyd Eaton, Art de Vany und vielen anderen Köpfen dieser Strömung wird man auch bei uns finden.
  • Hauptsächlich schauen wir uns aber direkt die Biochemie an und interessieren uns für Mechanismen. Denn nur ein Mechanismus kann Ansätze für Interventionen liefern.

edubily verbindungen

All das zusammen ergibt in gewisser Weise unser Konzept bzw. Verbindung zu anderen (Ernährungs- und Lebensstil-)Konzepten. Es ist unser ganz eigener Stil. 

Drum wird man immer sofort erkennen, auf welchem Kenntnisstand jemand befindet, wenn er durchscheinen lässt, dass er noch immer in klaren „Blöcken“ denkt. „Das ist gut und das ist schlecht.“ So ist es aber nur in seltenen Fällen. In den meisten Fällen gibt es etliche Überschneidungen und …

einige Wege führen nach Rom ;) 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

9 comments On Einige Wege führen nach Rom

  • Wenn man sich das Ziel vorgenommen hat qualitative Muskelmasse aufzubauen und lean zu bleiben. Wäre es nicht dann am sinnvollsten nach der gewünschten Form und dem Wohlbefinden dieses Konzept zu befolgen um alt und gesund zu werden wie in den Blue Zones ? Müsste ich dann damit rechnen wieder viel meiner Muskelmasse einzubüßen, da meine Proteinzufuhr nicht ausreichend wäre ?

  • Wenn ich tierisches Protein weglasse, es aber durch Pasta mit Pesto ersetze, habe ich eine noch stärkere mTor Reaktion, als wenn ich ein Steak essen würde. Diese kontraproduktive Variante wird aber von Longo und Co mit keinem Wort erwähnt.
    Dazu muss ich doch nicht unbedingt in einen Kalorienüberschuss kommen. Müsste man nicht konsequenterweise sagen, tierisches Protein und schnelle Kohlenhydrate meiden? Selbst wenn ich KHs unterhalb des Kalorienüberschusses konsumieren, habe ich einen kräftigen Insulinausstoß und damit eine gute mTor Reaktion, stärker, als bei Fleisch plus Gemüse.
    Nach Longos Fastenmethode, um Fastenphade zu aktivieren, müsste ich doch nur noch Gemüse, wenig Hülsenfrüchte und Salate essen dürfen?!
    Ich ging immer davon aus, dass tierisches Protein eine schwächere mTor Reaktion (Insulinreaktion) nach sich zieht, als eine vegetarische Carbmahlzeit, wie Pasta, Reis, Brot, um mal die Extreme zu nennen.
    Könnte es sein, das Longo Veganer ist?

  • Zu mTor habe ich eine Frage.
    Longo und auch andere Altersforscher kommen immer wieder mit dem tierischen Eiweiss und dessen Wirkung auf mTor. Was bei denen völlig unter den Tisch fällt ist das Insulin, das meines Erachtens der eigentliche Motor für mTor ist.
    Sicher fördert hochwertiges Eiweiss eine Insulinreaktion, aber die größte Insulinreaktion erfolgt doch auf Kohlenhydrate und Zucker – und genau diese Nährstoffen werden in der Altersgorschung kaum erwähnt. Vater Longo spricht auch nur von tierischem Eiweiss, aber nicht von einer carblastigen Ernährung.
    Gerade eine vegetarische Ernährung geht schnell mit vielen Kohlenhydraten einher.
    Irgendwie finde ich die Eiweissrestriktion nicht so ganz schlüssig!

    • Das ist korrekt. Aber warum ausgerechnet tierisches Protein?

      1. Komplettes Protein. Longo will bewusst einen relativen Aminosäuren Mangel erzeugen, um mTOR zu hemmen. Pflanzenprotein ist nicht komplett.
      2. Mehr methionin, siehe Post.
      3. Tierisches Protein ist eingebettet in eine Matrix und steht stellvertretend für tierische Kost. Dazu siehe Post.

      Das Ding ist: Natürlich ist Energieüberschuss der ultimative Driver für mTOR. Aber das erklärt ja nicht, warum Leute überhaupt zu fett werden. Sie essen sich ja nicht aus Spaß an der Freude fett. Longo usw. zielen darauf ab, eine Ernährung zu finden, die Fastenpfade aktivieren, damit der Körper versteht, überhaupt Energie loszuwerden. Es ist quasi ein Feed Forward: erst aktiviert man diese Fastensignalwege und als Folge nehmen die Leute ab. Wir reden häufig über Feed back, nämlich: erst nehmen wir ab und dann normalisieren sich die Signalwege. Es geht aber beides!

    • Hallo Chris, jetzt ist es mir klar geworden! Da denke ich direkt über das zyklische Einführen von veganen Phasen nach.
      Hi Mitleser. Dein Link war mir nicht bekannt. Interessante Zusammenfassung!

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