FGF21 ist ein Protein, das hauptsächlich in der Leber gebildet und ins Blut abgegeben wird. Das Blut transportiert das Hormon dann zu vielen Zielgeweben (z. B. Muskel), wo es wirken darf.
Was kann das Hormon FGF21?
FGF21 ist wahrlich das, wonach bisher jeder gesucht hat. Es senkt extrem potent den Blutzucker-Spiegel, sorgt also für eine überragende Insulin-Sensitivität, macht die Leber fettfrei, senkt Triglyceride im Blut und — ganz wichtig — macht Zellen und Organismen langlebig. FGF21 steuert darüber hinaus die Ketogenese in der Leber und schaltet den Stoffwechsel-Turbo ein, indem es Mitochondrien vermehren lässt. Es verbessert die Leptin-Sensitivität, die Insulin-Ausschüttung, Adiponectin-Ausschüttung, den Energieverbrauch und das insgesamt somit das Körpergewicht. Unglaublich, nicht wahr? Warum es das macht, darüber reden wir gleich.
Es überrascht kaum, denn FGF21 wechselwirkt mit Klotho, ein anderes „Wunderhormon“. Die Wirkung beider Proteine hängt also zusammen.
Was genau ist FGF21?
FGF21 ist ein Fasten-Hormon. Es wird vorrangig dann ausgeschüttet, wenn wir … eben nix essen. Die Leber kommuniziert so mit dem restlichen Körper: Junge, wir kriegen nix mehr zu essen, wir müssen unseren Stoffwechsel umstellen.
Bei genauerer Betrachtung stimmt es nicht ganz: FGF21 wird maßgeblich und hauptsächlich durch die Protein-Verfügbarkeit reguliert. Deshalb steigt dieses Hormon dramatisch an, wenn einfach mal kein Protein gegessen wird. Es ist somit ein Protein-Sensor. All die oben genannten Effekte treten also ein, wenn man mal das Protein vom Speiseplan streicht. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass „high protein, low carb“ die FGF21-Expression herab reguliert, während Glukose die FGF21-Expression steigert.
Kann eine proteinarme Ernährung Vorteile mit sich bringen?
Unterm Strich, und das wurde später bewiesen (Solon-Biet et al., 2016), steigt FGF21 hauptsächlich bei kohlenhydratreichen, also stärkereichen Ernährungsformen, die gleichzeitig proteinarm sind. Das erinnert stark an die Blue-Zone-Populationen, die genau so essen.
Bevor wir zu den Implikationen kommen, möchte ich noch kurz eine Sache ansprechen: FGF21 mag für einige Menschen oder Wissenschaftler ein Wunderhormon sein. Auf der anderen Seite ist die Sache ziemlich banal, wenn man weiß, dass FGF21 so wirkt, weil es die NAD/NADH-Ratio verschiebt, AMPK und somit PGC-1alpha aktiviert. Hier wären wir also wieder bei uns längst bekannten Zusammenhängen. Ist das nicht herrlich? Hier noch mal en detail, um was es geht. Handbuch-Leser lächeln an dieser Stelle natürlich.
Ich finde es spannend, dass wir mit Protein einen Makronährstoff haben der wie ein On- und Off-Switch für dieses Hormon fungiert. Das ergibt absolut Sinn. Aminosäuren sind die wichtigsten Substanzen im Körper und was kann wichtiger sein als das? Kalorien, Fette oder Kohlenhydrate (eh nicht essentiell) eher nicht. Deshalb schaltet sich bei relativem Protein-Mangel dieser mächtige Schalter ein.
Das ist alles längst bekannt. Die Wissenschaftler wussten nur nie, warum Protein-Restriktion so wirkt. Jetzt dürfte es klar sein.
Chronische Protein-Restriktion ist nicht machbar und sollte kein Ziel sein. Aber wie wär’s mit „intermittierendem Protein-Fasten“ für metabolische Gesundheit und Langlebigkeit? Denn wir könnten damit kraftvolle molekulare Schalter (NAD/AMPK und Co.) aktivieren, ohne dabei die Kalorien einschränken zu müssen. Das Protein-Feeding könnte man dann auf eine Zeitspanne beschränken. Längst wissen wir, dass dieses zeitlich begrenzte Feeding enorm gesund ist. Was ist, wenn ein Großteil dieser Effekte einfach nur dadurch zustande kommt, dass beim Fasten eben kein Protein zugeführt wird?
Freilich: das sind Spielereien, Ideen. Muss keiner machen. Ich aber liebe es zu wissen, wann und wie gewisse Masterregulatoren im Körper anspringen. Denn dann limitiert uns nicht mehr das (Un-)Wissen, sondern nur noch das Tun.
Es gibt eine Arbeit, die titelt: Wiederherstellen der Stammzellfunktion — wir brauchen nur NAD. Bisher dachten wir, wir müssen Fasten, Kalorien einschränken, B3 oder Nikotinamid-Ribosid hochdosiert schlucken. Jetzt ist klar: Protein einschränken hilft auch.
Ein Kommentar
Ernährung und Lebensstil sind mehr. Je intensiver ich mich damit befasse, umso deutlicher wird, dass viele „Experten“ gar keine sind. Biologie und erst recht Biochemie sind enorm komplex und vielfältig. Wie lange wurde angenommen, dass Glukose diesen so wichtigen Signalweg (AMPK etc.) alleine reguliert? Wie viele Ernährungsformen und ganze Lebensphilosophien beruhen auf dieser Idee? Es stellt sich heraus, dass der Mensch eben kein Fadenwurm ist. Man kann nicht stur beispielsweise einzelne Signalwege analysieren, ohne dabei die komplexe Reaktion des Organismus zu beobachten. Solche komplexen Reaktionen sind beispielsweise hormonelle Einflüsse, wie hier am Beispiel von FGF21 gezeigt. Man muss enorm weit raus zoomen. In der Regel genau das, was Ernährungspopulisten nicht mehr tun. Biologie ist kein lapidares Abwinken.
13 comments On FGF21: Das Jungbrunnen-Wunderhormon
Und wenn ich FGF21 einfach substituiere ?
witzbold.
in verschiedenen Ernährungsbüchern habe ich das Wort Eiweißmast gelesen. Mich meistens etwas geärgert: zum Einen über die unterschwellige Abwertung Andersgläubiger; zum Anderen widersprach es meinen anderen *Lehrmeistern* (Eiweß ist gut! Viel Eiweiß ist besser!!).
Mit diesem Text hast Du einen Fingerzeig in Richtung Mitte gegeben: wieso es sinnvoll wäre Eiweißfasten auszuprobieren.
Ich denke, es ist wie immer in der Biologie. Am besten man baut sich einen Sinus-Verlauf.
Mich interessiert nun durchaus auch welche Zeitspanne du für vernünftig hälst.
Würde da zum einen auf meinen Körper hören und zum anderen auf den gesunden Menschenverstand. Einfach mal einen Tag lang kein Fleisch/Milchprodukte essen und gucken, was passiert. Wie reagiert mein Körper? Giert er Protein? Wird mir kalt? Fühle ich mich aufgedreht? Oder mal ein paar Tage das Minimale an Protein essen, gucken, was passiert. Irgendwann kriegt man den Dreh schon raus, das ist wie beim Fasten etc auch. Da muss jeder seinen eigenen Sweetspot finden und das geht nur, wenn man bereit ist, ein bisschen rumzuprobieren.
Aus der Praxis: ganz alte Menschen essen minimal Protein, wollen kein Fleisch, allenfalls Milchprodukte am Besten mit Zucker und landen in der Sarkopenie. Was denkt sich die Natur da.
Die Natur denkt sich dabei gar nix. Wer chronisch kein oder kaum Protein isst, ist selber schuld oder unwissend.
Hallo Chris,
ganz so einfach ist es sicher nicht. Im Alter reduziert sich offenbar unsere ohnehin schon durch unsere (westlichen) Lebensweisen verminderte somatische Intelligenz nochmal ganz drastisch. Viele alten Leute haben einfach keinen natürlichen Appetit auf proteinhaltige Nahrung, genauso, wie das natürliche Durstempfinden teilweise deutlich reduziert ist.
Die spannende Frage wäre nur, warum das so ist…..von der Natur so eingerichtet…..oder hausgemacht durch unsere Lebensweise?
Ansonsten wieder sehr interessante Artikel- macht weiter so!
Hi Ralf, beim anderen Kommentar habe ich eher einen Vorwurf herausgelesen. Meine halbe Familie arbeitet mit älteren Menschen und ich weiß, dass die häufig einfach nicht mehr gut essen. Ich sag mal so: Was bekommen unsere Alten zu essen? Das ist leer, absolut leer. Wie soll da die Biochemie (du nennst es „somatische Intelligenz“) funktionieren? Für mich ist das ein Endstadium einer langen Nicht-Beachtung von essentiellen Regeln.
Hallo Chris,
Das ist , so finde ich, eine sehr interessante Diskussion, weil hier hunderttausende geriatrische Patienten betroffen sind- und es werden ja immer mehr. Ja sicher essen die „Alten“ leere Sachen. Aber wenn ich mal leere Sachen esse (kommt schonmal vor, Asche auf mein Haupt, ist aber eher die Ausnahme), dann habe ich spätestens am nächsten Tag so richtig Appetit auf was nährstoff-und vitalstoffreiches (Fleisch, Gemüse, Obst etc.). Das meinte ich mit somatischer Intelligenz. Dieses natürliche Bedürfnis an Vitalstoffen scheint bei vielen Älteren ausgesetzt zu sein, d.h. die biochemischen Signale für „iss was Vernünftiges“ und auch „trink genug“ sind defekt.
Weißt Du, welche Signale da molekular arbeiten- oder eben nicht mehr arbeiten- und vor allem warum nicht mehr? Kann man das molekularbiologisch erklären?
Für Euch ein schönes Osterfest! LG Ralf
Für mich stellt sich jetzt die Frage, wie lange dieses Protein-IF sein muss, um zu wirken. Anders gefragt, reicht „bormales“ IF mit 18 Stunden Nahrungskadenz aus?
Das ist die spannende Frage und wenn es umgestellt wird – wie lange hält der Effekt des Hormons an, wenn wieder Eiweiß gegessen wird.