Drei Studien, die du kennen solltest

Es ist mal wieder an der Zeit, ein paar Studien zu besprechen. Das haben wir in der Vergangenheit ja immer wieder mal getan. Hat mir gefallen, deshalb gibt’s heute neuen Input. Bevor wir ans Neue gehen, hier noch mal ein paar alte „Studien, die du kennen solltest“-Artikel:

Angst vor Hirntumoren? Trinke Kaffee

Hirntumore sind ganz üble Geschichten. Vor allem das Glioblastom. Wir schreiben selten über sowas, weil wir keine Krebsspezialisten sind, auch nicht sein wollen und uns solche Themen einfach zu stark im Magen im liegen. Wer’s mal live miterlebt hat, mag sich damit nur ungerne oft beschäftigen. Nichtsdestotrotz sollte man immer über ein paar Präventivmaßnahmen Bescheid wissen.

So eine ist Kaffee.

In einer Studie, die die Ergebnisse von drei prospektiven Kohortenstudien mit mehreren Hunderttausend Menschen zusammenfasst, steht geschrieben:

Consumption of five or more cups of coffee and tea a day compared to no consumption was associated with a decrease risk of glioma (RR = 0.60; 95% CI: 0.41–0.87; p-trend = 0.04).

Also: Wer mehr als fünf Tassen Kaffee oder Tee trinkt, senkt sein Risiko, an einem Gehirntumor zu erkranken, um satte 40 %. Das nenne ich mal eine Zahl. Die wurde übrigens erst neulich bestätigt:

We found a significant inverse association between coffee consumption and brain tumor risk in both total subjects (≥3 cups/day; HR = 0.47, 95%CI = 0.22–0.98) and in women (≥3 cups/day; HR = 0.24, 95%CI = 0.06–0.99) …

Hier hat man hunderttausend Japaner untersucht. Spannend: Frauen konnten ihr Risiko dabei um 75 % senken – jedenfalls jene, die besonders viel Kaffee bzw. Tee tranken.

Wichtiger Hinweis: Der wirksame Bestandteil scheint das Koffein zu sein:

No association was observed between decaffeinated coffee and glioma risk

Heißt: Ohne Koffein, wirken Tee und Kaffee nicht. Aber bei Männern, die besonders viel Koffein zu sich nehmen, gibt’s sogar satte 54 % weniger Hirntumore, was für Frauen so leider nicht uneingeschränkt gilt:

Among men, a statistically significant inverse association was observed between caffeine consumption and risk of glioma (RR = 0.46; 95% CI: 0.26–0.81; p-trend = 0.03); the association was weaker among women

2014 erschien eine Studie, die herausfand, dass Koffein die Migration von Hirntumorzellen hemmt. Ein Erklärungsansatz.

Referenzen

Chen Y, Chou W, Ding Y, Wu Y. Caffeine Inhibits Migration in Glioma Cells through the ROCK-FAK Pathway. Cellular Physiology and Biochemistry. 2014;33(6):1888-1898. 

Holick C, Smith S, Giovannucci E, Michaud D. Coffee, Tea, Caffeine Intake, and Risk of Adult Glioma in Three Prospective Cohort Studies. Cancer Epidemiology Biomarkers & Prevention. 2010;19(1):39-47. 

Ogawa T, Sawada N, Iwasaki M et al. Coffee and green tea consumption in relation to brain tumor risk in a Japanese population. Int J Cancer. 2016;139(12):2714-2721. doi:10.1002/ijc.30405

Herzinfarkt + Antibiotika = Todesurteil

Das jedenfalls fand eine nette, soeben veröffentlichte Mausstudie heraus. Dort hat man gezeigt, dass quasi alle Tiere sterben, wenn man ihnen einen Herzinfarkt verpasst und dazu ein Antibiotikum verabreicht. Umgekehrt überlebten alle Kontrolltierchen und auch viele von den glücklichen Mäusen, deren ausgelaugtes Darmmikrobiom mit einer Probiotika-Gabe oder einer Stuhltransplantation gepimpt wurde.

Antibiotic-treated mice (ABX mice) displayed drastic, dose-dependent mortality after MI. We observed an association between the gut microbiota depletion and significant reductions in the proportion of myeloid cells, and SCFA, more specifically acetate, butyrate and propionate.

Also: Antibiotika-behandelte Mäuse zeigen eine, wörtlich, drastisch gesteigerte Todesrate nach einem Herzinfarkt – wenn man ihnen zusätzlich ein Antibiotikum verabreicht. Das habe, so liest sich im nächsten Satz, etwas mit einem kaputten Darmmikrobiom zu tun, das wohl Einfluss auf bestimmte Immunzellen hat. Auch die vom Darmmikrobiom normalerweise produzierten kurzkettigen Fettsäuren scheinen hier eine Rolle zu spielen. Na sowas. Warte mal ab, dazu gibt’s im neuen Buch von uns ein kleines, aber feines Kapitel :P

Hier mal eine Abbildung, die verdeutlicht, wie dosisabhängig ABX (die Antibiose) die Überlebensrate nach einem Herzinfarkt senkt:

Wie man sieht: Man kann den armen Tieren mit steigender Antibiotika-Ladung zunehmend den Hahn zudrehen.

Ob das auch für uns Menschen gilt … weiß man natürlich nicht. Die Autoren merken an:

Thus, a better understanding of the mechanisms underlying host-microbiota interactions could provide new directions for the development of therapies for treating ischemic heart disease, either through manipulating the gut microbiota or by mimicking these interactions on a molecular level. Furthermore, our results here provide an in-depth understanding of the effects of antibiotic abuse on the clinical outcomes.

Also:

  • Diese Arbeit könnte helfen, neue Therapien zu entwickeln.
  • Wie? Zum Beispiel durch Probiotika oder Gabe von kurzkettigen Fettsäuren (von mir übersetzt aus dem Unverständlichen).
  • „Antibiotika-Missbrauch“ in Krankenhäusern könnte Leben kosten – „Wir geben vorsichtshalber mal Antibiotika“ … Oh je.

Referenz

WH Tang et al. Loss of Gut Microbiota Alters Immune System Composition and Cripples Post-Infarction Cardiac Repair. Circulation, 2018;

Fischöl und DHA: Benötigte Dosis mal anders

Fischöl … Omega-3-Fettsäuren – sind ja heutzutage in aller Munde. Ich persönlich halte mich eher an die Regel, alle mehrfach ungesättigten Fettsäuren niedrig zu halten, achte also eher auf den n3/n6-Quotienten. Fischöl in Hochdosen ist nicht meins. Nichtsdestotrotz stehen Hering, Wildfang-Lachs und Co. in der Regel mehrfach wöchentlich auf dem Speiseplan. Ein Muss!

Viele Menschen achten ja auf den sogenannten Omega-3-Index. Okay, kann man machen. Für Leute, die keine Lust haben ständig zu messen, habe ich eine bessere Methode. Und die basiert … auf Messungen. :-) Wir zitieren aus einer der wertvollsten Arbeiten, die es zum Thema Omega-3-Fettsäuren gibt:

Plasma phospholipid DHA concentrations are highly sensitive to dietary intake of this fatty acid at doses up to 2 g/d. At doses above this amount, plasma DHA concentrations approach saturation and increase only in- crementally. DHA supplementation also results in an apparent linear increase in EPA concentrations, presumably through retroconversion, with EPA concentrations increasing by 0.4 g/100 g fatty acid for each 1 g of DHA intake.

Das ist doch mal ein bahnbrechender Hinweis, oder? Wer sein Blut wirklich mit Omega-3-Fettsäuren sättigen will, der peilt einfach 2 g DHA pro Tag an. Damit sind die Blutzellen zumindest mit DHA gesättigt. Das Gute: Der Körper baut aus DHA einfach die zweite, wichtige Omega-3-Fettsäuren, nämlich EPA. Und das auch linear steigend mit zunehmender DHA-Zufuhr. Umgekehrt funktioniert die EPA-DHA-Konversion, wie bereits diskutiert, nicht gut:

Supplementation of adults with 4g/d of pure EPA-ethylester results in significant increases in EPA concentrations in whole plasma and plasma or serum phospholipids, but no increase in DHA concentrations, which is consistent with the poor enzymatic conversion of EPA to DHA (64, 68, 72, 73).

Heißt ganz konkret: Der Mensch ist definitiv auf eine DHA-Zufuhr angewiesen! Und, um es mal ganz klar und prägnant zu formulieren: DHA ist die einzige, tatsächlich essentielle Fettsäure im menschlichen Organismus. Warum? Auf der einen Seite kann der Mensch sie nicht selbst bilden und auch nicht oder nur sehr, sehr marginal aus Vorgänger-Omega-3-Fettsäuren synthetisieren. Auf der anderen Seite hat diese Omega-3-Fettsäure für den menschlichen Organismus wie keine zweite Fettsäure eine enorme Bedeutung.

Kleiner, aber wichtiger Hinweis noch:

Blonk et al (74) performed a dose-response analysis of supplementation with marine lipids containing a 2:3 ratio of DHA and EPA at doses up to 6 g total long-chain n3 fatty acids per day. (…) The apparent DHA saturation dose was 1.2 g/d, which is considerably lower than when pure DHA is provided …

Heißt: Wenn man ein Mischpräparat im Verhältnis von 2:3 (DHA:EPA) gibt, braucht man lediglich etwas mehr als 1 g DHA pro Tag um die Blutzellen zu sättigen. Anscheinend wollen die Blutzellen bei gleichzeitiger EPA-Verfügbarkeit nicht mehr so viel DHA aufnehmen. Ist das nicht ein interessanter Zusammenhang? Daran kann man sich mal orientieren!

Ach ja, bevor Fragen kommen: Sättigen bedeutet in diesem Zusammenhang natürlich nicht, dass man nicht noch mehr Omega-3-Fettsäuren in Blutzellen pressen kann! Natürlich kann man das. Doch ab diesen Dosen braucht es für den gleichen Anstieg deutlich mehr dieser Fettsäuren. Warum wohl?

Referenz

Arterburn L, Hall E, Oken H. Distribution, interconversion, and dose response of n−3 fatty acids in humans. Am J Clin Nutr. 2006;83(6):1467S-1476S. doi:10.1093/ajcn/83.6.1467s

 

Der Text ist von mir, Chris Michalk. Fast zwei Jahrzehnte war ich dem Leistungssport treu und studierte als Folge Biologie und drei Jahre Sport. Leistungsphysiologie war mein Hauptinteresse, das mich vor circa 15 Jahren dazu gebracht hat, Studien zu lesen. In Folge einer Stoffwechselerkrankung gründete ich den Blog edubily und verfasste zusammen mit meinem Kollegen Phil Böhm mehrere Bücher (u. a. "Gesundheit optimieren, Leistungsfähigkeit steigern"). Ich machte meinen Abschluss in zellulärer Biochemie (BSc, 1,0) – und neben meinem hier ausgelebten Interesse für "Angewandte Biochemie", bin ich zusammen mit Phil Böhm Geschäftsführer der edubily GmbH.

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